An meinen Bruder 1779. Tönet Dir, tönt Dir ohne Täuschung, lieblich Wie der Nachtigall Lied, des Todes Name, Und wird Dir sein rauschender naher Fittig Schwanenflug tönen? Blumen umkränzen, wie sie Dir nur blühen, Deine wallenden Locken, und den Becher, Den mit Götterwein die Natur Dir immer Schäumender anfüllt: Blumen des Bachs, der Wiese pflückt die Freundschaft Dir, den stolzeren Lorbeer Dir die Muse, Bald auch wird (schon röthelt ihr Rosenknöspchen!) Liebe Dich kränzen. Aber, o wähnst Du, daß der Liebe Rose, Selbst der süßesten Liebe, wenn nun endlich, Athemlos, mit schmachtendem, feuchten Auge, Bebenden Lippen, Die sich zu matten, halbgeküßten Küssen Kaum zu schließen vermögen, ach! an Deinem Trunknen Busen, sie, die Du liebest, die Dich Liebet, dahin sinkt; Wähnst Du, sie dufte, diese Rose, stärker Als das Rankengewebe, das, mit tausend Armen, uns, und kräuselnden Sprossen, fester Stets uns umschlinget? Aufgang der Sonne flammet Dir des Todes Fackel? Sie, die der Ranken keiner schonen Und austrocknen würde die Borne meines Lechzenden Lebens? Daß, den Du wünschest, ich nicht fürchte, weißt Du! Kanntest lange den Durst in meinem Herzen, Heldentod einst in der gerechten Feldschlacht Blutig zu sterben! Siehe, schon schwebt er! – Ha! ich kenne deines Fittigs Todesgesang! Mich schreckt nicht, Droher, Deine Rechte! Trennung von meinen Lieben, Droher, die schreckt mich! Leben, o leben will ich! schwebt gleich manches Trübe Wölkchen heran, ihr Schwestern, Freunde, Leben! Mein braunlockiges Weib, mein Bruder, Leben, o leben! Aber wenn – doch der Menschheit Loos verbeut es! Wenn zugleich dem vertrauten Häuflein winkte Er, der Ruhegeber; ich säh' ihn, lächelnd: »Bruder, er schreckt nicht!«