Freundinnen. Ein Spiel (1903) Für Hugo von Hofmannsthal Toutes deux regardaient s'enfuir les hirondelles: L'une pâle aux cheveux de jais, et l'autre blonde Et rose, et leur peignoirs légers de vieille blonde Vaguement serpentaient, nuages, autour d'elles. Et toutes deux, avec des langueurs d'asphodèles, Tandis qu'au ciel montait la lune molle et ronde Savouraient à longs traits l'émotion profonde Du soir et le bonheur triste des cœurs fidèles. Telles, leur bras pressant, moites, leurs tailles souples Couple étrange qui prend pitié des autres couples, Telles, sur le balcon, rêvaient les jeunes femmes. Derrière elles, au fond du retrait riche et sombre, Emphatique comme un trône de mélodrame Et plein d'odeurs, le Lit, défait, s'ouvrait dans l'ombre. Paul Verlaine (Ein großes Zimmer reich ausgestattet. Von den Wänden sehen alte dunkle Gemälde von Männern und Frauen in altmodischer italienischer Tracht. Im dämmrigen Hintergrunde ein großes strahlend weißes Bett. Etwa in der Mitte von der Decke herab eine achteckige rote Ampel aus geschliffenem Glas. Rechts führen große Glasfenster die weit geöffnet sind auf eine efeuumwachsene Veranda von der Stufen hinab in den Park zu denken sind. Vom Park her flutet ununterbrochen ein breiter milchweißer Strahl glitzernden Mondlichts ins Gemach. Auf einem mit weißen Fellen überworfenen Ruhebett im Vordergrunde gegen die Veranda zu liegt lässig hingegossen Silvia . Sie ist im losen Nachtgewand das sie in licht rosenfarbnen Tönen umflutet. Ihr langes goldblondes Haar rieselt in dichten Strähnen über ihr Gewand. Sie liegt regungslos und scheint mit weitgeöffneten Augen ins Leere zu schauen. Es ist kurz vor Mitternacht. Vom Park her klingen zuweilen gedämpft die süßen Stimmen der Nacht. Kurz nach Beginn der Szene gleitet Bianca leise von der Tür links auf Silvia zu. Sie ist gehüllt in ein langes schneeweißes Nachtgewand über das ihr dunkelbraunes Haar fällt.) Silvia (mit der fast ausdruckslosen Sprache einer Nachtwandlerin) Und da die Nacht aus goldnen Wolken sank und grün der Mond sich hob von dunklen Bäumen fuhr jäh sie auf aus dumpfer Rast und Träumen – und ging indes ihr Auge gierig trank den süßen Duft des Mondes in das Dunkel und ließ der Kindheit Spiel und Glück und Lieder und ging ... bis fern des Schlosses Lichtgefunkel erlosch: da warf sie tief ins Gras sich nieder und lauschte zitternd wie mit seliger Macht die Blätter rauschten und die Quellen sangen und brünstig schluchzend fern in dunklen Hainen auf Marmorbecken stille Brunnen sprangen und ihren Leib durchschauerte ein Weinen ... und eine Sehnsucht war in ihr erwacht ... Und tiefer glitt von Zweig zu Zweig die Nacht. Des Laubes Flüstern klang im Nachtwind kaum. Vom Beet her stieg das Atmen der Violen: Das war wie Liebesstammeln – heiß verstohlen und hüllte alles tief in schwere Pracht und müder Sehnsucht dämmrig süßen Traum ... Bianca (die während der letzten Worte ganz nahe an Silvia herangetreten ist und ihr leise mit der Hand übers Haar streicht) Ich hörte dunkler Geigen wehen Klang in späten Nächten wenn auf allen Wegen die Blätter starben in versprühtem Regen – wie leises Weinen bebte tief ihr Sang ... Bianca du? Was ist's? Kam schon der Tag? Du träumst Geliebte! Purpurrauschend weht der schwüle Hauch der Nacht von Beet zu Beet. Wie schwer und süß der leise Sommerwind den Duft des Gartens in das Zimmer spült: Ein dunkles Sehnen hat mich wachgewühlt – als ob ein groß Geschick die Nacht mir brächte ein ziellos fremdes heißes dunkles Sehnen – Du kennst noch nicht den Zauber unsrer Nächte: Sie sind wie Lieder lockender Sirenen duftend wie Wein aus schweren Südlandsreben der purpurn schäumt in blassen Goldpokalen wie jähe Flammen in kristallnen Schalen die an Altären rot im Nachtwind beben. Ich lag betäubt die Lider halb geschlossen. Des Mondes weiße warme Wellen flossen voll ins Gemach das düftetrunken schlief vom roten Ampellicht seltsam umgossen und aus des Parkes Schattengründen tief stieg ein Gewirr von heißen scheuen Stimmen das weich in schweren Rhythmen mich umspann. Huschende Lichter sah ich schwebend glimmen und klingend löschen. Jäh durchrann ein seltsam Feuer mich als ob im Wiegen der dunklen Stimmen die im Nachtwind glitten aus morschen Grüften weiße Leiber stiegen und tönend leuchtend füllte das Gemach sich rings mit leisen unsichtbaren Tritten daraus es wie ein Locken zu mir sprach – Da riß mich's auf: Und bebend trat ich nah und sah im Wind des roten Laubes Spiel und atmete den Duft der Nacht. Und sah die Beete rings von silberglänzgem Schaum betaut. Und schauerte und schluchzte auf und fiel. Und meine Seele sank in tiefen Traum. Bianca (hat Silvia leise, mit den Händen stützend, gegen die Veranda geführt) Sieh wie aus flaumig-feuchtem Glanz die schlanken Zypressenreihn gleich blauen Schemen tauchen mit blassen Stämmen licht wie Frühlingsranken durchsichtig zart als wollten sie im matten nebligen Duft sich lösen und verrauchen – Dämmernde Stimmen steigen aus den Schatten. Ist es die Nacht die tief im Traum erbebt ist es ein Tanz der fern auf Wiesen schwebt von weißen Nymphen und behaarten Faunen? Das ist der alten Marmorbrunnen Raunen das seltsam hinter dunklen Büschen webt. Es rinnt ein Hauch von wilden grenzenlosen Sehnsüchten durch den Einklang dieser Lieder und ringsum strömt und glüht der weiße Flieder und mischt betäubend sich dem Duft der Rosen. Wenn weit die grauen Stämme dampfend gluten wie rotgeschweißtes Erz scharlachumronnen und alle Brunnen funkenübersponnen in heißen Güssen schluchzend sich verbluten – in schwülen Nächten wenn der Mond den feuchten flaumweichen Leib schauernd im Wasser kühlt und bunt vom Wellenflirren aufgespült Millionen Tropfen perlenschillernd leuchten – dann tönt so wund und weh ihr dunkles Rauschen wie Regen der auf welke Blätter rinnt wie eine Seele die im Finstern sinnt ... dann könnt ich Stunden ihrem Singen lauschen. Wie seltsam! Will des Mondes Dampf mich trügen? Durch schwarzer Büsche laubverrankte Ritzen züngelt ein Glanz glimmert ein fahles Blitzen aus Nacht und Duft schält leuchtend sich ein Leib – ein weißes nacktes wundervolles Weib – grün liegt das Mondlicht auf den starren Zügen ... Ein stiller Gruß aus uralt goldnen Tagen: Ein Venusbild im Chor dunkler Zypressen efeuumwuchert morsch vom Tau zerfressen zerwühlt von Rissen die der Blitz geschlagen. Wie weiß die Mondesstreifen sie umsäumen! Und in der Nelkendüfte nacktem Schweben durchfröstelt ihren Leib ein brünstig Beben: Die Sommernacht küßt sie aus langen Träumen. Sieh wie im blassen Licht ihr Auge blinkt wie ihre Arme weich und warm sich biegen und wie die Lippen leis ein Lächeln wiegen und wie sie grüßend nickt und winkt und wie der Mund sich zitternd öffnet – spricht – wie Glockenläuten – siehst du's hörst du's nicht? Dich trügt die Ferne und des Mondes Flirren. Und braust dir nicht durchs Blut dies heiße Schwirren und fühlst du tausend Flammen nicht sich schaukeln und Rosenduft bacchantisch dich umgaukeln und liebeskranker Flöten tolles Girren? Ein Wunder! Sieh: durch steinern starre Glieder stürmt eine Röte. Sie erglühen schwellen wie Firnen überströmt von Morgenwellen. Blau blitzt die Luft. Der alte Marmor zittert in leisem Läuten unter seidnen Tritten die Fernen funkeln sommerglanzumwittert. Sie ist's. Sie fährt zum Glühen trunkner Geigen durch nackter Paare laubumstrickten Reigen. Von purpurüberblühten Rosenhängen perlt es wie Duft von brausenden Gesängen. Sie ist's! Du bist's! Du selber selber bist's! Um deine weiße Stirne funkelnd flicht sich wirr ein Kranz tauiger Rosenblüten als Diadem. Heiß aus den Augen bricht dir ein Geleucht. Und deine Lippen hüten ein Königinnenlächeln. Unter deinen Füßen scheint rings der Estrich von Musik zu schwellen im feuchten Duft des Mondes der mit hellen Glanzlichtern dich umgießt. Und deine süßen flaumweichen Glieder beben noch von Traum und Dämmer. Heilige! Königin! Frau Venus! Selige Göttin! Nimm mich hin! (Sie wirft sich wie ohnmächtig in Biancas Arme) Du Süße! wie du flammst und bebst und glühst und taumelst wie von duftendem Weine trunken. Der Stunde Rausch ist über dich gesunken: Das hat dies Glänzen in dein Aug gelegt dies durstige Glänzen roter Sommerwiesen vor Regenschauern. Wie dein Mund sich regt als wollt im Liebesstammeln er zerfließen. Geliebte! In den Haaren glimmt ein Leuchten dir weich wie Irrlichtnebel über feuchten mondfahlen Teichen. Deine dunklen Lider haben den Schein von wilden Rosenranken die rot um weiße Marmorbilder schwanken, und durch die schlanken heißen jungen Glieder flutet ein Beben wie in goldnen Strängen von Wetterharfen die vom Glanz gestreichelt der Sommernacht in dämmernden Gesängen aufschauernd weinen silberlichtumschmeichelt ... Sprich weiter weiter! Deine Worte fließen von Glanz und Duft wie köstlich starke Salben. Wie rote Rosen sind sie die im falben Lichtschein des Tages dämmerselig schliefen und wachend ihres Blutes Glanz versprühen wie Falter sind sie die die Nacht umglühen im weichen Schmelz der Flügel und im Wiegen des Nachtwinds bunt wie Blütenflocken fliegen ... O lauschen will ich der Musik die rings aus dir herniederströmt aus Haar und Mund und Augen und will ihr perlend Gold tief in mich saugen wie ein Verdurstender. Denn sieh: Ich war allein – so einsam daß mich meiner Stimme Klang erschauern machte wenn's aus schwerem Schlaf mich riß. Und all mein Wandel war nur Finsternis und Traum der Nächte heiß von wildem Drang nach Leben. Und nun bin ich jäh erwacht: Nun strahlt die Sonne und das Leben lacht! O still – laß tief mich durch die weichen Linnen die deine jungen Brüste überrinnen wie laue Flut dampfend von warmem Leben den Duft des Fleisches atmen und sein zuckend Beben glühend betasten. Und das heiße dunkle Blut das in Akkorden stürmisch junger Kraft durch diese Adern wittert gleich dem Saft der schäumend klar in Frühlingsbirken ruht – und diesen Leib so voll und stark und schlank und weich der sich nach Liebestaumeln sehnt in wilden Nächten und sich schauernd dehnt im Rausch von Wonnen die ein Träumen trank – Genug – Der blonden Haare wild Gerank fließt von den Schultern dir wie ein Geschmeide mit dem du deinen nackten Leib geschmückt zur Brautnacht. Durch den feuchten Glanz der Seide die wie ein Kranz von Rosen leuchtet zückt die blanke kühle Haut in mattem Glanz – Genug – du tötest mich – O laß mich ganz den Leib mit meiner Arme Glut umspinnen und diese Lippen tief wie scharfen Stahl in deine Glieder tauchen. Und das blutige Mal mit meinem Leibe kühlen. Bis der Quell versiegt und Morgenrot auf matten Gliedern liegt. Genug! Ich sterbe! Ich vergehe! Sieh – wie sich ein Blütenkelch fröstelnd zur Sonne streckt die ihn in heißer Küsse Rausch glühend erweckt und glühend tötet wie ein Falter der das süße Gift der Blütendolden trinkt bis taumelnd er im schweren Duft versinkt wie die Bacchantin die zu roter Fackeln Licht aufglühend tanzt und tanzt bis zuckend sie zusammenbricht – stürzt meine Jugend jauchzend dir entgegen mein glühend Blut in funkelnd heißen Güssen: Töte mich Wilde! Töte mich mit deinen Küssen! Bianca (heiß und heimlich) O komm! Das Leben bräutlich glühend winkt uns zu und lockt. Die Fesseln sind zerrissen und aus dem rötlich matten Dämmer blinkt wie Gold das Bett mit glutzerwühlten Kissen. Hörst du des Windes Wiegen in den Zweigen und brünstig dunkle Stimmen schwüler Nacht und Geigenklang? Das ist der Hochzeitsreigen der uns mit Spiel und Singen heimgebracht. Fühlst du das Leuchten das am Estrich schaukelt von spätem Ampelglühen und den Glanz des weißen Monds? Das ist der Fackeltanz der unsre Liebesnacht flatternd umgaukelt. Komm Liebste! Komm! Auf meinen Armen will ich zitternd dich in süßes Dunkel tragen und um die Schauer junger Glut soll still und weich die Nacht die schweren Schleier schlagen.