Am Geburtstage meiner verehrungswürdigen Tante, der Frau Dr. Reincken, geb. Brandenburg; den 11. November Prachtvoll steigt der junge Morgen, In der Glorie des Tages, Aus des Meeres dunklen Fluthen, Wenn Aurora ihre Rosen Ihm zum Kranze um die Stirne Zwischen blauem Azur schlinget. Ihrem Stralenglanz' entweichen Luna und das Heer der Sterne; Gleich Rubinen glänzen alle Tropfen an des Grases Spitzen, In dem reinen Aether schwimmen Aller Blüthen süße Düfte. Mild und hehr im Sternenschleier Sinkt der laue Sommerabend Auf die welken Blüthen nieder, Wenn Dianens Silberstralen Ueber blaue Berge schweben, Und in ernster heil'ger Stille Die Natur den Schlaf der Schöpfung Feiert bis zum neuen Morgen. Betend sinkt der fromme Schwärmer Auf der Erde Altar nieder, Sel'ge Thränen tiefer Rührung Glänzen im verklärten Blicke, Himmlische Gefühle heben Ihn in Edens Thal hinüber. Aber schöner noch ist dieser Goldne Morgen mir entstiegen! Niemals floh' ein Sommerabend Mir so schön, so froh vorüber, Wenn ich lag auf Rosenblättern Und des Frühlings Sängern lauschte; An der Quelle, wo des Pfirsichs Zweige sich zur Laube wölbten, Und die roth- und weißen Blüthen Schöner mir im Wasser glänzten. Höh're Freude fühl' ich heute, Froher kränz' ich meine Locken Mit der Mirthe grünen Blättern An dem Tag, der Dich, o Edle , Rief zu Schmerzen und zu Freuden! Heil'gere Gefühle heben Mich empor zum Thron' der Gottheit, Wenn ich flehend für Dein Leben Mich ihm tief anbätend nahe. Laut, Geliebte! nenn' ich Deinen Namen vor dem ganzen Himmel, Wenn ich jene Edlen zähle, Deren Großmuth, deren Güte Mich dem Leben wieder gaben, Da ich schon am Grabe wankte, Und mit hoffnungslosem Blicke In die ferne Zukunft schaute, Wo die Meinen ganz verwaiset, Mich und ihr Geschick beweinten, Ohne Kenntniß, ohne Bildung Sich dem Jünglings-Alter nah'ten, Fern von Dir und all' den Edlen, Die mein Daseyn retten halfen, Will ich dieses Fest der Freude Feiern mit gerührter Seele! Lebe glücklich dort an jenen Stillen Ufern, wo die Ostsee Hochauffluthend an dem Walle Deiner stolzen Veste strömet; – In dem edlen frohen Kreise Der sich liebevoll vereinet, Dir den Abend Deines Lebens Mannigfaltig zu verschönen! Denke meiner, wenn des Mondes Silberstralen in Dein Zimmer Blaß und melancholisch schleichen, Sage Dir: jezt denkt Elise Mein, voll warmer Dankgefühle, Mein, voll Liebe und voll Sehnsucht; Ihre heißen Thränen schwimmen In des Mondes blassen Stralen, Darum blicket er so trübe In mein ödes stilles Zimmer!