An die Tugend Tugend, Licht im Erdenthale, Funke Gottes, leuchte mir! Deine Glorie umstrale Meine Pfade für und für! Lehre mich die Wahrheit trennen Von des Irthums Schattenbild; Lehre mich die Freude kennen, Die aus deinem Frieden quillt! Von der Gottheit Sonnenthrone Kamst du mild zu uns herab, Auf dem Haupt die Stralenkrone, In der Hand den Herrscherstab. Jedes Laster, niedrer Seelen Flieht vor deinem reinen Blick Zu den ewig finstern Höhlen Der Avernos-Nacht zurück! Du veredelst die Empfindung, Du erhöhst der Liebe Glück, Deine sichern Pfade führen Den Verirrten bald zurück; Selig, wem an deinem Busen Heil'ger Freundschaft Blume blüht, Wer bekränzt von holden Musen Nur in deinem Feuer glüht! Nimmer welken deine Kränze, Deiner Blüthen ew'ge Pracht; Deines Lichtes Stral verkläret Unsres Schicksals finstre Nacht. Deines Segens goldner Frieden, Des Bewustseyns süsse Ruh Fächeln selbst dem Lebensmüden Hoffnung, Trost und Duldung zu! Wer in deinem vollen Glanze Einmal selig dich erblickt, Wird vom leeren Sinnenrausche Eitler Freuden nie entzückt, Seine Brust kann nichts erschüttern, Immer bleibt er fessellos, Muthvoll unter Ungewittern Und im Unglück frei und gross. – Durch des Lebens Labyrinthe Wandelt er in stiller Ruh, Genien der Unschuld fächeln Stärkung ihm im Kampfe zu; Wenn sein letzter Abend sinket Und sein Aug' sich ewig schliesst, Ists die Tugend, die ihm winket, Die sein letzter Blick noch grüsst!