William Shakespeare Der verliebte Pilger Wenn Liebchen spricht, daß nie ihr Herz erkalte, So glaub' ich ihr, wenn sie es schon erfand; Damit sie mich für einen Neuling halte, Mit Listen dieser Welt noch unbekannt. So, irrig wähnend, daß sie jung mich wähne, Wiewohl sie weiß, mein Frühling ist dahin, Leugn' ich's ihr nicht in ihre falschen Zähne, Und beiderseits verbirgt sich wahrer Sinn. Doch warum sagt sie nicht, daß sie nicht treu? Warum nicht ich, daß einst ich jung gewesen? O, Amors Lieblingslust ist Heuchelei, Und Lieb' in Jahren mag nicht Jahreszahlen lesen. Darum belüg' ich sie, belügt sie mich, Und unsre Lügensünden schmeicheln sich. Zwei Flammen hab' ich, die im Doppelbann, Wie Geister, zwischen Trost und Qual mich lassen darben: Der bess're Engel ist ein schöner Mann, Der schlimmere Geist ein Weib von bösen Farben. Mein weiblich Unheil, bald dem Pfuhl mich zu gesellen, Lockt meinen guten Engel von mir fort: Zum Teufel möchte sie den Heiligen entstellen; Dem Reinen kost ihr falsches Schmeichelwort. Und, ob mein Engel nun schon eingefeindet, Besorg' ich; – zwar nicht völlig ist's bekannt; – Doch, da mich beide fliehn, und beide sich befreundet, Fürcht' ich, ein Engel ward des andern Höllenbrand. Und wie es steh', ich kann es nicht vermuten, Als bis mein böser Geist verschlingt den guten. Hat deiner Augen Himmelsredemacht, Die keine Welt bestreiten wird mit Gründen, Mein Herz zu diesem Meineid nicht gebracht? Um dich gebrochne Schwüre sind nicht Sünden. Ein Weib verschwur ich; aber daß ich nicht Dich Göttin drum verschwur, will ich beschwören. Mein Eid war irdisch, du ein himmlisch Licht. Von aller Schuld befreit mich dein Erhören. Mein Eid war Hauch; Hauch ist ein Dunst: so saugest Du schöne Sonne meiner Erdenbahn Dies dunstige Gelübd' in dich, verhauchest, Zerreißest es; ich hab' nicht Teil daran. Und hätt ich's auch gebrochen, welcher Tor Zög einen Schwur dem Paradiese vor? An einem Bache saß die reizende Cythere, Von ihrem jungen Freund Adonis hoch entzückt. Mit manchem süßen Blick liebäugelt ihm die Hehre, Mit Blicken wie nur sie, der Schönheit Fürstin, blickt. Dem Ohr zur Lust erzählt sie Märlein ihm, Zeigt Liebliches, die Augen zu versuchen; Berührt ihn hie und da, sein Herz an sich zu ziehn: So schmeichelndes Getast wird oft das Grab der Tugend. – Doch, ob den frühen Jahren Sinn gebricht, Ob er verschmähet ihr verblümtes Deuten, Der junge Gründling schluckt den Hamen nicht, Und lacht und spottet aller Artigkeiten. Da fiel die gnäd'ge Göttin rücklings hin: Und er sprang auf und lief. – O Eigensinn! Lehrt Liebe Meineid mich, wie soll ich Liebe schwören? O Schönheit, sie allein hält Liebestreu im Flor! Wie auch mir selber falsch, treu will ich dir gehören. Dies Wort, mir eichenfest, scheint dir ein schwankes Rohr. Betrachtung läßt ihr Buch und forscht in deinen Augen, Wo alle Wonne lebt, die nur die Kunst erschleußt. Ist Kenntnis Ziel, du kannst statt aller Kenntnis taugen: Am weisesten der Mund, der dich am besten preist. Wer ungerührt dich säh, die roh'ste Seele hätt' er. Daß du ein Wunder mir, kommt meinem Ruf zu gut. Dein Aug' ist Jovis Blitz, dein Laut sein drohend Wetter; Doch, ohne Zorn, Musik und sanfte Lebensglut. O, himmlisch wie du bist, verleugne dich nicht so, Und singe Himmels Lob so irdisch rauh und roh. Kaum war der Tau vom Frühlicht aufgetrunken, Kaum ruht die Herd' umzäunt im Schattendach, Als Cypria, in Liebe ganz versunken, Voll Sehnsucht des Adonis harrt' am Bach, Bei einem Weidenbaum. Adonis war Im Bach gewohnt sein Feuer abzukühlen. Heiß schien die Sonne, heißer noch fürwahr Die seiner harrt'; oft pflegt' er dort zu spielen. Und sieh! er kommt, und wirft den Mantel ab, Steht mutternackt auf grünem Wiesenplan. Mit Herrscheraugen blickt die Sonn' herab; Noch brünstiger blickt ihn die Göttin an. Kaum sah er sie, sprang er hinab. Sie sprach: »O Jupiter! O wär' ich doch der Bach!« Mein Lieb ist schön, doch nicht so schön als schnöde: Wie Tauben sanft, doch schlangenglatt und frostig; Heller als Glas, und doch wie Glas so spröde, Weicher als Wachs, und doch wie Eisen rostig: Ein wenig bleich, mit etwas Rosenröte, So schön wie keine, und so falsch wie jede. Wie hat sie mich mit Lippen schier verschlungen, Auf jeden Kuß ein Heer von Liebesschwüren. Wie hat sie mich mit Märchen eingesungen, Als bräch' ihr Herz, das meine zu verlieren! Und doch, im Schwung der höchsten Seelenflüge Ward Eid und Treu und Trän' und alles Lüge. Sie brannt' in Liebe wie das Stroh in Flammen, Verbrannt' in Liebe schnell wie Stroh verbrennet, Erbaute Lieb', und riß sie wild zusammen; Schwur ew'ge Lieb', und hat sie rasch zertrennet. Soll sie als Buhl', als Liebchen mir gefallen, Zu schlecht zum guten, und gering in allem? Der Morgen lächelte: die schöne Venus war – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – Vor Kummer bleicher als ihr schneeweiß Taubenpaar, Des wilden Springinsfeld Adonis wegen. Sie tritt auf einen jähen Holm. Geschwind Sieht sie den Knaben nahn mit Horn und Hunde. Die Gute warnt ihn, mehr als wohlgesinnt: »O weiche nicht von diesem sichern Grunde. Wohl eher sah ich schon so holden Kleinen Von einem Eber schwer verletzt im Tal, Tief in der Hüft', ein Anblick war's zum Weinen; Sieh meine Hüfte, sieh, hier war das Mal.« Sie zeigt es ihm, und er wird rot und flieht, Weil er mehr Wunden dort als eine sieht. Lieb Röslein, vor der Zeit gepflückt, zu bald erblichen, Gepflückt als zarte Knosp', im Lenz erblichen; ach, Des Ostens Perle du, vom Moder früh beschlichen, O Kleinod, das so schnell des Todes Stachel stach, Wie grüne Pflaumen, die in Windes Wallen Eh' sie der Herbst gereift, vom Baume fallen. Ich wein' um dich, der doch nicht Anlaß hat: Warum? Im Testament hast du mich übergangen; Und mir doch mehr vermacht, als je ich von dir bat: Warum? Nie hab' ich dich um etwas angegangen. Und doch, verzeih mein Herz! ich muß mich fassen: Dein Mißvergnügen hast du mir verlassen. Saures Alter, frohe Jugend Können nicht zusammen dauern: Jugend ist voll muntrer Launen, Alter voller Sorg' und Qual. Jugend wie ein Sommermorgen, Alter gleicht den Winterschauern. Jugend pranget wie der Sommer, Alter winterdürr und kahl. Wenn der Jugend Scherze frommen, Alters Odem bleibt beklommen. Jugend eilet, Alter schleicht. Jugend feurig, kühn, verwegen, Alter lahm, will nur sich pflegen; Jugend schäumet, Alter keucht. Jugend, Jugend, dich umfang' ich: Alter, Alter, vor dir bang' ich. O mein Lieb, mein Lieb ist jung. Alter schlag' ich in die Winde: Süßer Schäfer, komm geschwinde! Eilest lang mir nicht genung. Schönheit, o eitles Glück, wie bald verloren! Du bist ein bunter Schmelz, der schnell verfliegt, Ein Blümlein früh dahin, so wie geboren, Ein mürbes Glas, das in der Hand zerbricht. Schmelze, Blume, Glas, hinfällig eitles Glück, Verwelkt, verschwunden, tot im Augenblick. Und wie verlornes Glück sich selten findet, Verflognen Schmelz kein Reiben wiederbringt, Verwelkte Blume tot zur Erde schwindet, Zerbrochnes Glas kein Kitt zusammenzwingt: So kann befleckte Schönheit nichts erneuen, Nicht Mühen, Sorgen, Schminken, Arzeneien. »Gut' Nacht! Ruh' sanft!« – Ach, beides mir verleidet! Sie beut mir gute Nacht, die meine Ruh verscheucht Und in mein Bett mich treibt mit Qualen überbreitet, Wo meines Unglücks Zweifel mich beschleicht. »Leb' wohl«, sprach sie, »gut' Nacht! Wir sehn uns morgen.« – Wohlleben konnt' ich nicht; ich aß zu Nacht mit Sorgen. Doch als wir schieden, lächelt' sie so süß: War's Freundschaft oder Hohn? Ich mag's nicht deuten: Vielleicht vor Freuden, daß sie mich verstieß? Vielleicht mich Irren wieder hin zu leiten? Irr! Auf uns luft'ge Schemen paßt das Wort; Wir müh'n uns viel, und heben nie den Hort. Wie starrt' ich unverwandt nach Osten hin! Mein Herz zürnt mit der Uhr; das frühe Licht Erweckt aus trägem Schlummer jeden Sinn: Der eignen Augen Zeugnis glaub' ich nicht; Ich sitze lauschend, horch' auf Philomelen, Und wollt', es wär ein Lied aus Lerchenkehlen: Denn das begrüßt den Tag mit muntern Lauten, Und zwingt die lichtlos bange Nacht zur Flucht; Und, flieht die Nacht, eil' ich zu meiner Trauten; Dort findet Herz und Auge, was es sucht. Sorg' ist in Lust verwandelt, Lust hegt Sorgen, Denn seufzend sagte sie zu mir: »Komm morgen!« Wär' ich mit ihr, zu schnell wär' Nacht entflohn; Nun aber reih'n Minuten sich an Stunden: Minuten werden Monden mir zum Hohn. Nicht mir, o Tag! den Blumen scheine drunten. Flieh, Nacht! Komm, lieber Tag! Laß Nacht uns borgen; Und, Nacht, sei kurz, erhole dich am Morgen. Liebe (ach wer steht ihr bei! Immer frisch und jung im Mai) Sah umbuhlt von Zephyrs Wehen Wunderschönes Blümlein stehen. Durch die samtnen Blätter schien Unsichtbar der Wind zu ziehn, Daß sich totkrank der Verliebte Nicht wie Luft zu sein betrübte, »Luft«, sprach er, »wie darfst du schlürfen! Möcht' ich, Luft, so jubeln dürfen! Aber ach, dich nie zu brechen Gab die Hand dir das Versprechen! Jugendschwur, wie ich dich büße! Jugend pflückt so gern das Süße. Nenn' es Sünde nicht in mir, Brech' ich mein Gelübde dir. Schwür' doch Zeus, in dich verloren, Seine Juno glich den Mohren; Möchte Zeus nicht länger, nein, Dir zuliebe sterblich sein.« Wenn du die Schöne willst erreichen, Das Wild, das schußrecht vor dir sitzt, Dann schütze dich Vernunft vor Streichen, So gut sie blinde Liebe schützt. Ein kluger Rat, er wär' dir nötig; Doch sei er nicht zu jung, noch ledig. Und bringst du nun dein Sprüchlein an, Laß glatter Zungen Wortgeflinker: Sonst merkt sie Trug, du hast vertan; Der Lahme wittert leicht den Hinker. Sprich nur: Dich lieb' ich, treu und schlicht, Und setz' ihr Schönes hell ins Licht. Und schmollt sie gleich und senkt den Blick, Vor Abend noch gibt sich dies Toben: Dann wünscht sie dich zu spät zurück, Bereut, daß sie ihr Glück verschoben; Zweimal verlangt sie, eh' es tagt, Nach dem, was sie mit Hohn versagt. Laß sie nur ringen, keifen, zanken, Sich mit dir messen, schelten, schmähn; Die schwache Kraft wird endlich wanken, Sie wird gewitzigt eingestehn: Wär' Weib so stark als Mann geboren, Du hättest, meiner Treu, verloren! Und ihren Wünschen allerweise Mit vollen Händen komm zuvor: Daß dein Verdienst sich hell erweise, Laß aufgehn, klingl' ihr um das Ohr. Die stärkste Festung, Turm und Mau'r Ergibt sich goldnem Regenschau'r. Sei immerdar ihr treuer Knecht, Dein Werben ehrlich und bescheiden: So lang sie dir nicht ungerecht, Laß dich zum Wechsel nicht verleiten. Verdrieße dich kein gutes Wort, Und stieße sie dich zehnmal fort. Wie Frauenlist sich ränkevoll Mit falschem Außenschein umzieht, All' ihre Schlich' und Launen soll Der Hahn nicht wissen, der sie tritt. Hat man dir nicht schon oft bericht': Ein Weiber-Nein hat leicht Gewicht? Bedenk, mit Männern ficht kein Weib Um Märtyrtum, es ficht um Sünden. Wenn Zeit und Alter sie bestäubt, Beim Kreuz! dann liegt ihr Himmel hinten. Gäb's nichts als Küss' im Bett, fürwahr, Weib ging mit Weib zum Traualtar. Doch still! genug, und schon zuviel, Daß mich mein Mädchen nicht vernimmt, In's Ohr mir raunt: »Nun schweige still!« Und meine Zunge zahmer stimmt. – Doch wird sie rot, (traut meinem Lied), Wenn sie sich so verraten sieht.