6. Biston Am Jahresschluß 1827. Vorbereitet Sind die Geschicke der Welt. In allen Zonen drängt sich aus dem Boden Die Saat hervor, Decket mit ihrem Sammte Die Erd', als einem Festgewand, Und harrt des befruchtenden Donners. Wen in den zögernden Himmel Sendet die Erde hinauf Zum Vater Mit dem Flehen der Völker, Daß ihm gefalle zu lenken Seiner Allwissenheit Stral Auf des Menschengeschlechts arbeitende Flur. Und zu senden schaffende Allmacht? Einer aus seines Königes Rat Steht auf. Kaum erhöhet, räumt er Den ersten Platz. Erschrocken sehen's, Denn sie liebten ihn, die Menschen; Doch bei der Wellen Triumphlied, Die sein Eiland umschlingen, Wandelt hinauf er zu Gott. Vor des Höchsten Throne Wirft er sich nieder und spricht: »Begonnen ist, o Herr, dein Werk! Die in der Völker irrenden Händen Lange geschwankt, Gefaßt hab' ich die Fackel In meine Hand, Habe sie hoch gehoben in die Luft. Sie zündet! riefen die Thoren, Aber sie leuchtete nur. Ein Sämann ging ich aus In ihrem Scheine, Warf in langdurchwühlten, Lockeren Boden Körner des Heils. Sprießen sollte sie Den Geschlechtern der Erde allen, Deiner Freiheit köstliche Frucht. Frei im geselligen Tausch Mögen die Schätze des Erdballs Rollen von Lande zu Land; Frei wandle das vernünftige Wort, Frei glühe der fromme Glaube In jeder Menschenbrust; Frei diene der Bürger dem Gesetz, Jede Fessel falle, Von der neuen Welt jungbrausenden Strömen Bis zu des Eurotas versiegender Flut. Nicht geraubt, wie der Titanensohn, Hab' ich dein Licht; Auf dein eigen Geheiß Hielt ich's den Völkern vor, Und der Erde besorgte, Zweifelnde Herrscher Haben mir, trauend, Gnade genickt, Haben gefüget die mächtigen Hände Zu dreifaltigem, heiligem, Freiheitspendendem Bund. Und jetzo fleh' ich: Laß nicht umsonst sein Deiner Erdensöhne Thun. Was die Höchsten wollen, Was die Niedrigsten hoffen, Was meines Lebens Licht verzehrt hat, Schaff' es, du ewiges Licht!« Und nieder zu des Thrones Stufen Winkte der Allmächtige Den harrenden Geist; Und eingewiegt ward er Vom tiefen, träumelosen Schlaf Der Ewigkeit. Bis daß die Zeit gekommen war, Da berührte der Herr Des Unsterblichen Haupt, Und der fernen Erde Getümmel Zog herauf in Aug' und Ohr, Und ihn weckt' ein schmetternder Donner. Und im Schlummer halb Rief der selige Geist: »Ich höre meiner Herren Schiffe!« Und nieder staunet er, erwacht: Er schaut die griechische Bucht, Und der berstenden Kiele Qualm. Eines Welttheils Jubel Dröhnt durch sein wunderbar fassendes Ohr. Aber bange durchläuft sein Blick Die entrollten Lande, Denn mehr als Eins Ist, was ihn kümmert. Nach dem Norden schaut er, Wo das riesige Land Bewaffnete gebiert, wie Drachensaat. Doch aus der Zare Pallast Tönt ihm entgegen Der Selbstverläugnung Lautrer, Frieden betheuernder Schwur. Weiter, Nach der heimischen Insel Schweift sein sorgliches Aug'. Aber am Ruder dort Sieht er sein eignes Herrliches Schattenbild Immer die Straße noch weisend stehn, Und den Steuermann ihm gehorchen. Und hinüber zur Seine Flieget der Blick. Siehe, welch Wunder Gestaltet sich dort? Im Lande des Aufruhrs, im Lande des Bluts, Friedlich, in des Gesetzes Schatten, Unter der einverstanden Menge Wirkendem Flüstern Bildet die Volksgemeinde sich um. Und die Krone glänzt, Und die Freiheit wird Unverdunkelt, Wie in Albion, unter ihr leuchten. Und auch anderswo stralt's: Der Einigkeit Geist Kehrt segnend ein In gespaltnen Gauen. Zölle sinken, Und der Welt zum Beispiel Oeffnen weise Fürsten Der freien Völker tauschenden Markt. Aber fern im Süden Sieht er die Lande dunkel, Oder gerötet Von der Zwietracht Brand und Mord. Nur an der fremden Heißesten Küste Hält die Gerechtigkeit Wacht, Und es bebt der Raubstaat Vor alter Jahrhunderte Plötzlich reifendem Plan. Sinnend blickt Jener hinab, Da verschwindet das Gesichte vor ihm, Und die Erde Mit ihrem Lärm und Glanz Sinkt hinab in die wolkige Tiefe. Doch im durchstralten Gemüte Lebt der Glaube an's Licht, Und mit dem Danke der Menschheit Wirft der selige Geist Schweigend sich nieder am Throne des Herrn. Und der Sänger erzählt, Was er träumend gesehn, Wenn in den Himmel Sich verlieren darf seine Seele. Lächelnd vernimmt es, Unglaubig, die Menge; Sie schauet nur den Keim, Den niedrig sprossenden; Gleichgültig wandelt sie Ueber den schwarzen Kern, Den die Hoffnung dem Boden vertraut. Dem Dichter aber ist's gegeben, Schon offen zu schaun Im Kern und im Keim, Die dereinst erscheint, Die Frucht und die duftende Blume.