Die Böhmenkönigin in Schwaben Nach der Weise: Mag ich Unglück nicht widerstahn etc. 1 O Böhmenland mit Bergen stolz Mit dunklem Holz, Mit süßen frischen Quellen! Was hörest du für frommen Schall Im Widerhall Aus deinen Thälern schwellen? Wer singt so schlicht Vom Glaubenslicht? Wer wiegt so fein Den Kummer ein Auf sanften Liedeswellen? Maria, deine Königin, Erneut im Sinn, Die hat so hell gesungen, Durch Ungarn und durch Böhmen ist Von Jesus Christ Ihr heilig Lied gedrungen; Wohl durch das Schloß, Wohl durch den Troß, Bis in den Saal Zum Ehgemahl Hat es sich frei geschwungen. Herr Ludwig steht im Eisenkleid, Macht sich bereit, Will mit dem Türken ringen. Er spricht ergrimmt: »Wer darf so frei Von Ketzerei An meinem Hofe singen? Auf Riesen wag' Ich jetzt den Schlag; Da kommt der Zwerg Von Wittenberg, Legt meinem Weibe Schlingen! Drum wandre, Frau, aus meinem Haus Zur Fern' hinaus, Laß dich nicht Fürstin nennen! Leg' ab dein würdig Königskleid, Laß das Geschmeid Von deinem Halse trennen! Fleuch meinen Grimm, Die Harfe nimm, Ja sing' dich fort Von Ort zu Ort, Ich mag dich nicht mehr kennen!« Sie schaut ihn an voll Lieb' und Treu', Doch ohne Reu'; Sie thut, wie er befohlen. Durch Berg und Thal, ihr wohlbekannt, Im Böhmerland Sie wandelt fort verstohlen; Ein Schloß bald lauscht, Ein Quell bald rauscht; In's Saitenspiel Sie endlich fiel, Da sang sie unverhohlen: »Richt', wie ich woll', ich jetzt mein Sach, (Weil ich bin schwach, Und Gott mich Furcht läßt finden) So weiß ich, daß kein' G'walt bleibt fest; Ist's allerbest', – Das Zeitlich' muß verschwinden. Das ew'ge Gut Macht rechten Mut, Dabei ich bleib', Wag' Gut und Leib; Gott helf' mir's überwinden!« Und wo die Elb' im Grunde tost, Trat sie getrost Hervor in fremde Lande; Die fromme, schöne Harfnerin, Sie ziehet hin Im ärmlichen Gewande; Hoch ist ihr Mut, Grüßt Sachsen gut, Wo schon das Licht Durch Wolken bricht; Da wird ihr leicht die Schande. Doch sehnt sie sich in's Ferne weit, Zur Einsamkeit In tiefen Thalgewinden. Wann birgt sie wieder Felsenwand? O Böhmenland, Wo wird sie neu dich finden? O Brunn, o Wald, Vom Lied durchhallt! O Berges Schutz, Du Menschentrutz! Sie sah euch all' verschwinden! So wallet sie durch's ebne Land Im flachen Sand, Bis sie zur Stätt' ist kommen, Wo schöne Hügel, rund und grün, Drauf Reben blühn, Sie wieder aufgenommen. Doch weilt sie nicht; Im Abendlicht Steigt wie ein Traum Ein Bergessaum, Dort ruft das Ziel der Frommen. Das ist die theure Schwabenalb, Die allenthalb Blau nach der Ebne winket, Wo man auf Haiden hoch und kühl Fern vom Gewühl Die reinen Lüfte trinket, Wo Blütenduft Zu Thale ruft: Man wandert schnell, Bis man am Quell In Waldesschatten sinket. Und als sie durch der Thäler Pfad In Wälder trat, Aus denen Felsen stiegen, Und als sie auf den Spitzen rings Sah rechts und links Die alten Burgen liegen, Da sang sie hell An einem Quell, Da flog der Hall Vom Bergeswall, Wie Engelsstimmen fliegen: »Ich habe dich mein Böhmenland! Von Gott gesandt, Willst du mich hier umschließen. Es steigt dein Berg, es schießt in's Thal Dein Wasserstral, Und deine Wälder sprießen! Auch Gottes Licht Ist ferne nicht! Es rauscht, es muß Des Heiles Fluß Bald durch dies Land sich gießen!« Vom Berge grüßet alt und grau Ein Schloß 2 die Frau, Zerrissen, ausgestorben. Dort zieht die fremde Herrin ein, Ein Kämmerlein Hat sie sich bald erworben; Sie singt voll Ruh Den Trümmern zu: »Kein G'walt bleibt fest, Sei's allerbest', Das Zeitlich' ist verdorben!« Sie wallt an jedem Tag den Weg, Den Felsensteg, In's tiefe Dorf hernieder, Ein Heilbrunn, wie im Vaterland, Quillt aus dem Sand, Und labt die müden Glieder; Im Kirchlein steht Sie oft und fleht Für den Gemahl Um Gottes Stral; Sie singt viel Sehnsuchtslieder. So lebet sie von Jahr zu Jahr; Selbst arm, sie war Der Armen Trost und Segen. Da tönt im Dorf ihr einst von Krieg, Von Türkensieg Verworrne Klag' entgegen. »O Frau, so fromm! Komm, bete, komm! In Ungarn ist Der Widerchrist! Ein König ist erlegen! Es liegt des Königs Ludwig Rumpf Versenkt im Sumpf, Sein Haupt ist abgeschlagen!« Die Fürstin starrt, es bricht in Schmerz Das treue Herz, Sie kann nicht weiter fragen. Die Harfe schweigt, Ihr Haupt sich neigt, Sie sinket um Verbleicht und stumm, Wird tot hinweggetragen. Ihr eignes Lied, das sangen leis, Zu Gottes Preis, Viel Mägdlein fromm und Knaben: Da ward sie, wie im Vaterland, Am Bergesrand Beim kühlen Quell begraben, Ihr Lob erschallt Durch Thal und Wald, Sie harrt des Herrn Sie ruhet gern, Die fremde Frau, in Schwaben. – Fußnoten 1 Dies Lied, aus welchem der sechste Vers unsrer Romanze entlehnt ist, schreibt die Sage der Königin Maria zu. 2 Beim Bade Ueberkingen.