Die Tübinger Schloßlinde 1. Und wie sollt' ich dein vergessen, Du getreue Musenstadt, Die mein ganzes Herz besessen Und mich wohl gepfleget hat. Von dir singen, von dir sagen Könnt' ich gar viel Leid und Freud', Doch, nicht ist's aus fernen Tagen, Ach! mir ist, als wär's erst heut! Aber heute gieb mir Kunde Tief aus deiner alten Zeit, Als dich von dem schwäb'schen Bunde Ulrich, unser Herr, befreit. Zwar er kam in schwerem Zorne, Schlug dir ein dein zagend Schloß, Daß die Sträucher und die Dorne Standen auf den Trümmern bloß. Doch er hat es neu erbauet, Stark und fürstlich es erhöht; Blickt, ihr Enkel, auf und schauet, Wie es noch so stattlich steht! Stolz auf seinem schlanken Renner Ritt der Herzog mitten ein, Hoher Rat der weisen Männer Zog gemächlich hinterdrein. Aus den Zellen, aus den Schenken, Dicht in Mantel und in Bart, Sah man Hut und Degen schwenken Den Studenten alter Art. Vor den Thoren vom Barette Wirft der Fürst ein Lindenreis: »Wachs' und blüh' an dieser Stätte Als ein Bäumlein grün und weiß!« Keiner wagt es drauf zu treten, Frommer Boden hüllt es ein, Unter Jubeln und Gebeten Geht der Zug zur Burg hinein.