30. Liebchen, ich rathe dir jetzt Verderbliches meinen Genüssen, Aber den eignen Gewinn achtet die Liebe ja nicht. Achtet die Liebe Verlust, wenn nur Einem fröhlicher Vortheil Reift, und der Andre betrübt täuschende Saaten beklagt? Siehe, du küssest mich oft und winkst mir am Fenster und nickst mir, Lächelst verstohlen und reichst heimlich das Händchen mir dar, Lispelst Worte der zagenden Scham und Worte der Sehnsucht, Worte der siegenden Lust still dem Umschlungenen zu, Reichst ein Blümchen mir jetzt und jetzt mir des wallenden Busens Fesselndes Band und lohnst jegliches zärtliche Lied. Ach, nie drohn in dem Auge dir jetzt die Gewölke des Unmuths, Spottende Launen umziehn nimmer den rosigen Mund. Fruchtlos schwimm' ich dahin in dem ruhigen Ocean, kaum noch Ahnet mein Herz, daß es einst rauhere Wellen gekannt. Ach, schon ward ich verwandt mit dem Glück durch süße Gewohnheit, Nimmer genügt, was einst selig mich machte, mir jetzt. Theile die Gaben der Huld, o theile sie! Lust und Erwartung, Sehnsucht, Zagen und Furcht würze mir jegliche Gunst. Lächle mir heute mit schmachtendem Blick und küsse mich morgen, Und ein zartes Geschenk kröne den anderen Tag: Doch es umdüstre das folgende Licht mir des schwarzen Gewölks Nacht, Und bang zage das Herz unter der drückenden Luft, Zittre dem Blitze des Hohns, der herabfährt aus der Umhüllung, Nach dem erquickenden Lenz sehn' es von neuem sich hin. Schlau ja sah ich dich sonst und gewandt, stets war ich dein Schüler. Listige, zürnest du nicht, daß ich zum Lehrer gereift? Schutzlos schlummert der ruhige Geist in der Wiege des Zutrauns; Trauest du meinem Wort, Liebchen, so traue mir nicht!