An den Mond Da steht der Mond! verweile, Verweile, lieber Mond, Wo ein Genoß der Eule In Felsentrümmern wohnt. An meiner Handbreit Himmel Steh' still und säus'le Ruh' Nach so viel Angstgetümmel Dem müden Herzen zu. Doch scheinst du mir so trübe; Dies Leichenangesicht Ist nicht das Bild der Liebe, Das Trost herunter spricht. So blaß, so bangsam stille Sah ich nie deinen Schein. Mich dünkt, o Mond! dich hülle Ein Todtenschleier ein. So hast du nicht geschienen, Wenn ich dich ehmals sah, Mit diesen bleichen Mienen Und diesen Flecken da. Sind's Thränen, diese Flecken, Die dein Bewohner weint, Wenn Kerkernächt' ihn schrecken Und keine Sonn' ihm scheint? Giebt's denn, du Nachtgefährte, Bei dir auch so viel Qual, Wie hier auf unsrer Erde Im Todtenschädelthal? Ach nein! nur uns Betrübte Trifft Kerkerqual und Tod. Dort wandeln Gottgeliebte Vom Elend unbedroht. Doch säuselst du auch Freuden, Du lieber Mond, herab, Und kühlst nach heißen Leiden Den Erdenpilger ab. Wenn im Gefühl der Schmerzen Uns eine Thrän' entfällt, So füllst du unsre Herzen Mit Ahnung jener Welt. Dem Frommen und dem Weisen, Den Seelen voll Gefühl, Die deine Schöne preisen, Giebst du der Freuden viel. Vielleicht mit hellen Wangen, Wird ach mein Miller jetzt An deiner Scheibe hangen, Von Sympathie durchblitzt. Fass' ihn mit einem Schauer Und zeig' ihm dann mein Bild Von tiefer, stummer Trauer Und langem Elend wild. Zeig' ihm mein strohern Bette, Des Kerkers feuchte Nacht, Und diesen Ring, zur Kette Für seinen Freund gemacht. Mal' seinem zarten Sinne Die Wand hier, schwarz vom Rauch, Bekrochen von der Spinne Und von des Wurmes Bauch. Mal' ihm die Eisenstange, An der dein Licht verbleicht, Wo trüb' und stumm und bange Der Tag vorüber schleicht. Das fürchterliche Schweigen Der Menschen um mich her, Mein Jammern ohne Zeugen, Mein Herz vom Troste leer. Zeig' ihm die Nadelspitze, Die meine Adern zwingt, Bis aus der Purpurritze Blut statt der Tinte springt. Zeig' ihm den Ziegelboden, Wo ich so manchen Tag Gestreckt, gleich einem Todten, In starrer Ohnmacht lag. Wenn dann im Angesichte Des Edlen Thränen glühn, So tret' in deinem Lichte Mein Engel vor ihn hin. Und sage: Miller ! trauernd Verließ ich deinen Freund Im Kerker; sehnsuchtschauernd Hat er nach dir geweint. Ach, bet' in Mondglanznächten Um deines Freundes Tod. Das Beten des Gerechten Vermag ja viel bei Gott. O Mond! noch immer trübe Blickst du aus weißem Flor? Bescheinst du meine Liebe? Sieht sie nach dir empor? Kniet sie in ihrer Kammer, Und betet sie für mich? So stille ihren Jammer, O Mond, ich bitte dich. Kühl' sie mit Himmelslüften, Wenn ihre Wange glüht, Und sie in deinen Düften Mich Armen schweben sieht. Ach, meinem Arm entrissen Weint sie vielleicht um mich; Und unsre Blicke küssen Auf deiner Scheibe sich. Du liebe Gattin, sterben, Ach sterben möcht' ich nun, Mein Kleid im Mondglanz färben, In seinen Thalen ruhn. Genug hab' ich gestritten Mit tausendfacher Noth; Willst du um etwas bitten, So bitt' um meinen Tod. Dann fliegt vom Aschenberge Die Seel', o Mond, zu dir Und läßt gefüllte Särge In Gräbern unter ihr. Du meine Witwe, blicke Dann froh hinauf zum Mond, Wo frei vom Mißgeschicke Dein armer Gatte wohnt. Siehst du am Mond vorüber Ein Wölklein ziehn, so sprich: Dort kommt vielleicht mein Lieber Und betet nun für mich. Einst flieg' ich dir, du Treue, Entgegen, wenn dein Geist, Beströmt von Himmelsbläue Und Mondglanz, Jesum preist. O Trost, nun klag' ich nimmer So wüthend meinen Schmerz; Denn Hoffnung, hell vom Schimmer Des Monds, erquickt mein Herz.