Es ist genug Nach 1. Buch der Könige 19, 4. Es ist genug! So nimm denn meine Seele, Die müde Seele nimm zu dir. Du weißt, wie ich die Augenblicke zähle, Du kennst dies bange Herz in mir, Das oft, getäuscht, dem Tod entgegenschlug: Es ist genug! Mich lockt nicht mehr die bunte Kraft der Erde, Gold ist mir Staub und Ehre Tand; Der frechen Lust einladende Geberde, Der Stolz im strahlenden Gewand, Des Schwelgers Tisch, vom süßen Gifte schwer, Lockt mich nicht mehr. Die Thorheit geht der Weisheit hier zur Seite, Und bei der Wahrheit steht der Wahn; Die Künste sind nicht mehr der reinen Freude, Sie sind der Wollust unterthan: Die Tugend klagt; in schwarzen Klausen weint Der Menschenfreund. Selbst der Natur unschuldigstes Vergnügen Wird oft durch's Schmerzgefühl entweiht, Daß unter Blumen Menschenbeine liegen Und daß der Thron der Eitelkeit Vom sanften West und Todtenduft beweht Auf Schädeln steht. Der junge Mai, verstrickt in Rosenfesseln, Stirbt, wie der Käfer, den er nährt; Die Lilie verwelkt mit rauhen Nesseln, Die Rose wird vom Wurm versehrt; Die Blüthe fällt, des goldnen Abends Pracht Verschlingt die Nacht. Sprich, Gott, wie lang' ich noch im Schauerthale Als ein Gebundner schmachten soll? Ist's bald genug? Und ist die Leidensschale Nicht bald von meinen Thränen voll? Sind Seufzer, tief ins Herzblut eingetaucht, Nicht bald verhaucht? Es ist genug! Entrück' mich den Gefahren, Den Aengsten meiner Lebenszeit! Bin ich denn nicht, wie meine Väter waren, Ein Wurm, ein Spiel der Eitelkeit? O Vater, dessen Ruthe mich zerschlug: Es ist genug! Zur Ewigkeit, ich fühl's, bin ich geboren; Hier bin ich Wandrer, Bürger nicht! Mein Erbe ist; du Gott! hast es geschworen; Mein ewig Erbe ist im Licht. Ist's Sünde denn, wenn meine Seele schreit Nach Ewigkeit? Genug, genug! Es ist genug gejammert; Genug hab' ich die bleiche Hand Ins Gitter meines Kerkers eingeklammert Und Seufzer himmelan gesandt. Genug hab' ich die Fesseln rasseln hören, Die ein verworfner Bruder trug! Gott! sprich einmal: Versiegt sind deine Zähren, Es ist genug!