Palinodie an Bacchus Quid non ebrietas designat? Blandus daemon, dulce venenum. Seneca. Der du mit deinen Tigern an dem Wagen Einst Indien durchzogst, Und dich, dem Erebus entstiegen, Hochaufgeschwellt von deinen Siegen Zum Gotte des Olympos logst! Dich sing' ich nicht, wie Dichter, deine Sklaven, Erst vollgefüllt aus deinem Horn; Dann hoch die Thyrsusstäbe schwingend, Und Evoe im wilden Rausche singend – Ich singe, Bacchus, dich im Zorn. Im Zorne, daß du auch Thuiskons Wälder Zertratst in deinem Drachenzug; Daß du die weingefüllten Römerschädel Dem Volke botst, ehmals so groß, so edel, Das Varus Legionen schlug; Daß du mit deinen Giften ihre Knochen, Ehmals wie Erz, in Brei verkocht, Und den zum Siechling umgeschaffen, Dem sonst beim eisern Klang der Waffen Der Busen aufgepocht. Wer lehrt das Biedervolk im Eichendunkel schwelgen? Wer hat mit toller Trunkenheit, Im Klubbe rasender Bacchanten, Mit Schläuchen, Flaschen, vollen Kanten Den Hain Germaniens entweiht? Wer machte Menschen reißender als Tiger, Die deinen Wagen ziehn? Wer lehrt das trunkene Geschlechte, Den Dolch des Aufruhrs in der Rechte, Von Höllenmordlust glühn? Wer lockt zum Lärm bei ekeln Saufgelagen, Als, Schreier Bacchus, du? Dir brüllen deine Taumelschaaren Mit borstigen und wildzerzausten Haaren Ihr Evoe bacchantisch zu. Ha! wer zerstört die köstliche Behausung Des Menschengeistes? Wessen Gluth Befleckt den Blick mit dieser blut'gen Röthe, Und preßt die Augen, wie der Kröte, Mit giftgetränkter Wuth? Wer schuf die Bläue auf des Jünglings Lippe? Wer hat der Wangen Blume abgestreift? Die Blume, ach, so farbig sonst, so heiter! Wer zeugt der Hektik faulen Eiter, Der aus der Lunge pfeift? Noch schrecklicher – wer mordet Geister, Als du, als Dämon Bacchus, du? Wer geißelt sie in einer schwarzen Stunde, Die Geister deiner Sklaven – ha! dem Schlunde Des gähnenden Abyssus zu? Einst kannt' ich einen Jüngling, blühend, Wie Eros war des Jünglings Blick, Ihm senkte Gott Gesang der Musen, Und Tiefgefühl und Großgefühl in Busen; Er war der Menschheit Stolz und Glück. Doch neidisch flog ein Teufel aus der Hölle Mit einem goldenen Pokal. Es äugelte der Wein in dem Pokale; Der Jüngling sah ihn blinken in dem Strahle De Monds, den täuschenden Pokal! Mit halbgeschloßnen Augen schlürfte Er, ach! des süßen Giftes viel; Allmählig dorrten seine Kräfte, Zur faulen Lache wurden seine Säfte, Und traurig schwieg sein Saitenspiel. Ich sah den Jüngling, ach! im frischen Lenzen Sah ich ihn schon verblühn; Sah liegen ihn im Sarg auf Hobelspänen; Sein Mädchen sah ihn auch, mit welchen Thränen Benetzt' sein Mädchen ihn? Ihr Blüthen meines Vaterlandes! Ihr Jünglinge, in deren Herz Genie, die Gottesflamme, lodert, Wenn Bacchus euch, als seine Sklaven, fodert Zum Soff und zum Mänadenscherz; So denkt, ihr hört's vom hellen Himmel donnern: »O Jüngling! trau dem Dämon nicht; Er führt dich an verborgnen Fesseln, Und peitscht dich einst mit wilden Nesseln, Hohnlachend vor's Gericht.« Gab Gott dir Geist, ihn stürmisch wegzubrüllen Beim ekeln Trinkgelag? O schrecklich wird Gott seine Gaben heischen, Wo keine Teufel mehr betrogne Menschen täuschen, An der Entscheidung großem Tag! Ha, Bacchus! hab' ich jemals auch getaumelt Um deinen Wagen, höre mich! Dir sei es hier vor meiner Brüder Ohren Im feierlichsten Schwur geschworen: Hör's, Taumelgott, ich hasse dich!