Prolog zu Lessings Emilia Galotti gesprochen von Demoiselle Reichard 1776 in Ulm Erlauchte Gönner unsrer Spiele, Hier steht Emilia Zum erstenmal voll schüchterner Gefühle In ihrer Unschuld vor Euch da! – Wie werden ihre Hände wanken, Wenn sie die Rosenblätter pflückt, Und wenn vertieft in schreckliche Gedanken Der Vater – ha! den Dolch nach ihrem Busen zückt. O stärke mich, Natur, und öffne du dieß Herze, Daß sein Gefühl sich heiß und wahr ergießt, Bei des Geliebten Tod und bei des Vaters Schmerze Auch meine Thräne – wirklich fließt. Und wenn aus weiter aufgerissner Wunde Das Blut in Purpurtropfen quillt, Ach, wenn verbleicht die Röth' auf meinem Munde Und Nebel meine Blicke hüllt – So bebt mit uns vor dieser Scene, Der furchtbarsten, der schrecklichsten! Schenkt meinem Vater eine Thräne Und mir – der Hingeopferten! Wenn dann ein Edler spräche: O Himmel, räche, räche Die Unschuld! Säume nicht, Du furchtbares Gericht! Dein Wetter soll die Marinellis treffen, Die ihre bessre Fürsten äffen! Sie hat die Höll' heraufgesandt! – Und dann der Beifall jeder Hand Uns zuklatscht; wie belohnt ist da Die glückliche Emilia! – Seht ihr schon jetzt in ihrer Miene Des wahren Beifalls Freuden nicht? Wohlan! – Ihr Gönner dieser Bühne, Ich eile schon! – Mich ruft Natur und Pflicht.