Mendelssohn Als Mendelssohn , der Weise, starb; Da strahlt' ein Geist des Himmels zu der Seele Des Weisen. »Komm, und folge mir!« Wie Silberglockennachhall sprach's der Geist. Er führte dann die Seele durch des Todes Grauenvolles Nachtthal, wies der staunenden Bei seines Krystallstabes Schimmer die Zerstörung Der Sünde in den Klüften des Scheols, Wo die Verwesung nagt, Verzweiflung brüllt, Wo gelbe Bäche aus den Ritzen schwarzer Mit Moos bewachsner Felsen schäumend stürzen; Wo aus der Menschenschädel hohlem Auge Die Otter züngelt, wo gefleckte Kröten Sich gurgelnd blähn bei Menschenäsern. »Wer wird einmal zerstören das Geklüft Voll Jammer?« athmet Mendels Seele. »Der Einzige , der hat die Schlüssel Der Hölle und des Todes,« sprach der Engel; Führte dann des Weisen Seele durch die Räume Des Himmels. Staunend sah der Denker In der Schöpfung Weite Raums genug Für alle Wesen, Welten, Geister, Sich drinn zu wälzen. Gottes Nähe Durchschauert' ihn. »Du bist Jehovah!« Sprach die Seele, küßt' der Rechten Aufgehobne, lichtbeströmte Finger. »Du bist Jehovah! Hab' so oft gefühlt Im niedern Erdenthale diese große Ahnung.« So lispelt Mendels Seele und verstummt. Sie kamen vor des Himmels Sonnenpforte, Eloa öffnet sie. Der Führende Und der Geführte traten schauernd hinein. Ein Menschensohn, der Schönheit und der Größe, Der reinsten Güte Urbild stand vor Mendelssohn . »Aus meinem Stamme bist du nach dem Fleische,« Sprach eine Stimm', der Liebe Wiederhall. »Ich kenne dich, bist aus dem Volke, dessen Haß ans Kreuz mich schlug. Du hast auf Erden Mich nie gekannt, doch nie gelästert. Drum wählt' ich dich aus Tausenden, Um früher dir zu sagen: Ich bin dein Bruder! Bin Jesus Christus! Bin dein Bruder! Nach Wahrheit lechztest du, komm, fall an meine Brust. Hier findst du sie! Nach Schönheit strebtest du; Sieh hier der Schönheit höchstes Ideal. Nach ew'gem Heil und Leben rangest du; Komm! ew'ges Heil und Leben geb' ich dir! Als du des Abfalls Greuelfolgen sahst Dort im Scheol, im Todtenbeingeklüft, Da weinte deine Seel'; o weine nimmer, Bald führ' ich sie, als Todesüberwinder In ihrer Ordnung die Gestorbnen alle Herauf zu mir. Mir ist gegeben Im Himmel und auf Erden alle Macht. Geh nun, ich weihe dich zum Lehrer Der Todten deines Volkes, die mich einst Im Erdenthal verkannten, mich verspotteten, Der für sie blutete.« Und Jesus schwieg. Ihr Erdendichter mit der Harfe, drinn Der Holzwurm nistet, o das singt ihr nicht! Ihr Engel all', mit goldbespannten Harfen, Mit lichtbeströmten Lippen, o das singt ihr nicht, Was Mendels große Seele da empfand, Als sie zu Jesus Christus Füßen lag, Und seine tiefe Scham, sein Thränenstrom Die ganze Strafe der Verläugnung war.