786. Die Klingenburg. Von J. F. Adrian. Wann voll der Mond am Himmel wacht, Von goldnen Sternen hell umflimmert, Und dumpf die Stund' der Mitternacht Vom alten hohen Thurme wimmert; Entwallet ernst und hehr und bang Der Klingenburg umgrünten Mauern Ein reiner silberheller Klang; Man hört's mit tiefem heil'gen Schauern. Dort lebte in der grauen Zeit, Wo für das Kreuz die Völker stritten, Die schöne Jungfrau Adelheit Mit frommen Sinn und reinen Sitten. Vom Antlitz war sie Engeln gleich, Wie Raphaele sie uns malen; Die Seele sanft und liebereich Sprach aus des Auges blauen Strahlen. Adolf von Hochburg kühn und hold Umschlang ihr Herz mit süßen Banden Und als sie einst im Abendgold Im stillen Eichenhain sich fanden; Da klopft' ihr Herz an seiner Brust, Sie hielten innig sich umwunden, Und fühlten der Verklärten Lust Die niedre Erde schien verschwunden. Bald tönet – ach! des Kaisers Ruf In's Morgenland Adolf zum Streite; Da sank der Bau, den Liebe schuf, Und höchste Wonne wich dem Leide. Es nahte trüb die letzte Nacht, Kein goldnes Sternchen mochte schimmern; Umhüllet zog des Mondes Pracht Durch Wolken hin mit mattem Flimmern. Und als nun schwand der nächt'ge Flor Und enden mußt der Trennung Stöhnen; Da zog ein Glöckchen sie hervor Mit reinen silberhellen Tönen: – »Da nimm, und wenn des Todes Streich Dir naht, so laß das Glöckchen klingen, Es tönet durch der Lüfte Reich Und wird zu meinem Ohre dringen!« Nun zog er hin, und Adelheit Lebt ihrer Lieb und ihrem Kummer Und Nächte lang durchschaut sie weit Des Maines Thal, – ihr naht kein Schlummer. So schwand ein Jahr; – in's weiße Thal Blickt einst um Mitternacht sie wieder, Da klang des Glöckchens Silberschall, – Und Adelheit sank todt darnieder. Das ist der silberhelle Klang, Den man mit tiefem heil'gen Schauern Entwallen höret hehr und bang Der Klingenburg umgrünten Mauern, Wenn voll der Mond am Himmel wacht, Von goldnen Sternen hell umflimmert Und dumpf die Stund der Mitternacht Vom alten hohen Thurme wimmert.