691. Der Schwedenthurm. Von Gustav Schwab. Zu Würzburg steht ein grauer Thurm Weitab vom lust'gen Maine, In seinem Balken pickt der Wurm, Es nagt das Moos am Steine. Die hohle Brust durchröchelt schwach Ein rostig Uhrwerk stöhnend, Sein Stundenschlag ist auch noch wach, Doch nur die Zeit verhöhnend. Denn wenn die Glocken alle ruhn Ein Viertel vor der Stunde, Beginnt er ein verkehrtes Thun Mit eh'rnem Lügenmunde. Ob seinem frühen Schlage quält Sich, was auf Märkten handelt, Der Kranke, der die Stunde zählt, Der Reisende, der wandelt, Wie dulden es die Städter nur, Den Trüger stets zu hören? So wißt: sie mögen seiner Uhr Den alten Fluch nicht stören. Denn in dem dreißigjähr'gen Sturm, Im langen Jammerkriege, Da war der falsche Schwedenthurm Einst eines Gräuels Wiege. Verschwörer saßen dort versteckt In seiner Glockenstube; Ein dumpfer Streich ward ausgeheckt In lust'ger Mördergrube. Als drauf die Stadt voll Frieden schlief, Die unbewehrte Rechte In sichrem Schlummer senkten tief Des Reiches treue Knechte; Ein Viertel hub vor Mitternacht Der Thurm an irr zu reden: Zwölf Schläge dröhnten da mit Macht, Laut riefen sie den Schweden. Und der verstand das Zeichen wohl, Ein Pförtlein fand er offen, Das Blut in allen Kammern quoll, Die Schlummerkissen troffen. Der Strom empfing, als tiefes Grab, Der Leichen schwer Gerölle; Doch Jubel scholl vom Thurm herab, Hoch oben jauchzt die Hölle. Ihr Sieg war kurz, ihr Stachel ward Geknickt durch schnelle Rache; Dem Thurm verrätherischer Art Ließ man des Truges Sprache. Im Räderwerk der Wahnsinn knarrt, So steht er grau, zerfallen; Muß, bis man ihn als Schutt verscharrt, Von seiner Sünde lallen.