416. Der Glockengießer zu Augsburg. Von Isabella Braun. Kochend ist die Glockenspeise, Weiße Blasen springen auf. In des Künstlers stolzer Weise Fällt des Meisters Blick darauf. Kurze Frist ist noch gegeben Und es wird der heiße Fluß Reif zum ruhmgekrönten Leben, Reif zum kühnen Glockenguß. »Lehrling,« – spricht der Meister, – »wache! Wache ob des Feuers Glut! Stiller Blick sei deine Sache, Sichre und getreue Hut. Rühre nicht den Zapfen, Knabe! Schüre nur das Feuer an. Eines wenn vollbracht ich habe, Sei dann rasch das Werk gethan.« – Und der Lehrling ist alleine. – Unverwandten Blicks er schaut Auf des Gusses zarte Reine, Den der Meister ihm vertraut. All sein Sinnen ist verloren In dem wogenden Metall, Und er hört in seinen Ohren Tönen schon der Glocke Schall. Und ihm ist's, als ob die Glocke Eins mit seinem Leben sei, Und als ob die Fluth ihn locke, Endlich sie zu machen frei. Und er sieht die Masse wogen, – Es erfaßt ihn Angst und Graus – Und der Zapfen ist gezogen – Strömend dringt der Guß heraus! Und er sprühet, frei gelassen In die Glockenform hinein; – Sieh! da stürzet in Erblassen Bang der Meister nun herein; Sieht den kühnen Knaben stehen Mit dem Zapfen in der Hand, Da begreift er, was geschehen Und ihn faßt des Zornes Brand. Es erbeben seine Glieder, Wilden Blickes, sinnberaubt Schwingt er seinen Hammer nieder Auf des Knaben schwaches Haupt; Und des Lehrlings Todesbeben Ist der Glocke erster Gruß, Ist ihr erster Blick im Leben – Denn gelungen ist der Guß. – In des Thurmes hohem Bogen Man die prächt'ge Glocke schaut, Doch kein Strang hat sie gezogen Noch zu ihrem ersten Laut. Denn mit ihrer ersten Stunde Hat vermählet sich der Tod: Lehrling schläft im Erdengrunde, Meister bangt in Todesnoth. – Meister muß die Schuld bezahlen, Die der blut'ge Mord begehrt; Doch in seines Todes Qualen Ist ein Wunsch ihm noch gewährt: Und bei seinem letzten Gange Den er zum Schaffote wallt – Nun mit ihrem ersten Klange Mächtig seine Glocke schallt.