830. Der Hirt von Oggersheim. Von Wolfgang Müller. – Vgl. Sagenb. I., S. 335. Der Feind ist noch weit, doch rüsten sich halt Zu Oggersheim mächtig die Bürger: Sie wollten nicht weichen der Macht und Gewalt Der frechen spanischen Würger. Hei, hei! es ist ein stattliches Heer Dort auf dem Markte versammelt, Sie schleifen das Schwert, sie schärfen den Speer, Sie halten die Thore verrammelt. Auf einmal blickt es heran auf dem Plan, Es nahen die feindlichen Haufen: Jetzt fangt ihr in tödtlicher Kampflust an! – Doch seht nur, die Tapfern laufen! Spießbürger werfen den Spieß auf den Grund, Pfahlbürger fliehn aus den Pfählen: Gevatter Schuster und Schneider sind Schund, Auf Krämer läßt sich nicht zählen. Sie flüchten im allernothdürftigsten Kleid, Durch Pförtchen und Hecken getrieben, Wo sind sie in Feldern und Wäldern weit, In Felsen und Höhlen geblieben? Die Häuser sind leer, die Straßen sind todt, Schier hört man die Gräser wachsen. Ein einziger Mann nur trotzet der Noth, Ein Mann im Haar von Flachsen. Der göttliche Sauhirt ist's der Stadt, Sein Weib liegt eben in Wochen, Und als er den Knaben gesehen hat, Fühlt kühn das Herz er pochen. Er küsset das Kind, umarmt die Frau, Die Hütte verläßt er schnelle, Bald steht auf des Thurmes altem Bau Der ehrenfeste Geselle. Er stehet zwischen Gewehr und Geschütz Und schwenkt eine weiße Windel, Er denkt: Vielleicht ist Schlauheit was nütz Bei diesem wüsten Gesindel. »Wir öffnen« – donnert der Kühne hinab, – »Wollt schonen ihr den Flecken, Doch denkt ihr zu plündern, dann soll das Grab Noch heute Manchen bedecken!« Der Feldherr spricht: »Laß ein uns sodann! Wir krümmen euch nicht die Haare.« Der Sauhirt ruft: »Ein Wort, ein Mann!« Doch denkt er: »Wohlfeile Waare!« – Er klimmt hinab und öffnet das Thor, Die Feinde durchströmen die Gassen, Sie schärfen das Aug', sie spitzen das Ohr: »Die Stadt ist ja verlassen!« »Das ist sie,« ruft der kecke Hirt: »Mein Weib hat heute geboren, Ich bin allein hier Meister und Wirth, Doch haltet ihr, was ihr geschworen. Die Kammer voll Wild, der Keller voll Wein – Ihr alle seid geladen! Denn morgen soll die Kindstauf sein, Und Pathe des Feldherrn Gnaden!« – Der Spanier schaut ihn lächelnd an: »Du Schalk machst Schelmenstücke! Doch gut hast du dein Werk gethan Dem Städtlein ist es zum Glücke! Gesagt, gethan! Ein Mann, ein Wort!« Zur Taufe gab's Wein und Braten. – Wir rühmen den Sauhirt fort und fort, Dem solch ein Werk gerathen.