711. Des Sängers Grab. Von J. F. Freiholz. – (Nach Fabricius und mündl. Ueberlief.) Walther von der Vogelweide, Aechtes deutsches Sängerherz, Wolltest nicht, daß man bereite Dir ein Grab von kaltem Erz; Nichts verlangst du von der Welt Als ein luft'ges Baumgezelt, Daß der Vöglein muntres Singen Noch zu dir in's Grab soll dringen. Drum zu Würzburg bei'm Neumünster Hat man dir ein Grab gemacht, Nicht von Steinen trüb und finster, Nur vom Himmel überdacht, Einen Baum darauf gepflanzt Daß du friedlich schlummern kannst Magst des Windes Liedern lauschen Die durch Ast und Laubwerk rauschen. So wird tief im kühlen Raume Immer dir der Frühling kund, Denn dich weckt aus ros'gem Traume Jedes Jahr der Vöglein Mund. Von des Baumes Lebenssaft Strömt auf dich auch Lebenskraft: Deine ungesung'nen Lieder Blüh'n als Maienglöcklein wieder. Kam mal einst ein Knab gegangen Der die schönen Blümlein knickt Und mit neidischem Verlangen Nach den holden Sängern blickt. Wie er süße Lockung gab Keiner läßt des Dichters Grab, Drum will er den Baum besteigen, Dann wird jedes Nest sein eigen. Hoch zum Gipfel schon gestiegen Hat er manches Nest zerstört, Mag der Ast sich mahnend biegen Ihn hat falsche Lust bethört. Doch der Vögel Klaggeschrei Lockt Herrn Walther schnell herbei Zürnend aus dem finstern Sitze Steigt er nach des Baumes Spitze. Seiner Vöglein Qualen haben Bittre Thränen ihm erpreßt, Und so steht er vor dem Knaben Schützend bei dem letzten Nest. Als der Knab Herrn Walther sah, Wußt er nicht wie ihm geschah, Schrecken lähmte seine Glieder Todt stürzt er zur Erde nieder.