57. Der Jungfernsprung bei Dahn. Von Franz Weiß. – Dahn in der Pfalz. Nach Andern diente die Stelle zu Gottesurtheilen. Eine angeklagte Jungfrau habe durch einen Sprung vom Felsen ihre Unschuld bewiesen. Wo sie aufsprang, soll die noch fließende Quelle hervorgesprudelt sein. J.K. Bruckner, das Haardtgebirge. S. 164. F. Weiß, die mal. u. rom. Pfalz. S. 36. »Unheimlich ist's in eurer Nähe, Und Furcht und Grauen faßt mich an, Wenn ich euch vor mir stehen sehe, In euerm wilden Liebeswahn.« »Nie wird mein Herz euch Liebe spenden: Es hasset euch, und wird hinfort Sich stets mit Abscheu von euch wenden, Dies sei für euch mein letztes Wort!« Die Jungfrau spricht's, und Rache tobet Wild in des Jägers schnöder Brust; Mit fürchterlichem Eid gelobet Er sich zu stillen seine Lust. In weichem Purpurscheine blühen Die Berge von des Morgens Hauch, Und tausend Demanttropfen glühen Hellfunkelnd rings an Busch und Strauch. Da wandelt in der duft'gen Frühe Die Jungfrau zur Kapelle hin, Sie scheuet nicht des Weges Mühe, Zum fernen Gnadenschrein zu zieh'n. Schon hält die Waldnacht sie umfangen, Da hemmt sie angstvoll ihren Schritt, Als plötzlich, lüsternes Verlangen Im Blick, der Jäger vor sie tritt. »Willkommen hier in meinem Reiche!« Spricht er mit arger Freundlichkeit; »Hier darf ich schlürfen bis zur Neige Den Becher eurer Lieblichkeit. Hier endlich wird sich mir erschließen Der Liebe Quell an eurer Brust! Wohlauf, mein Lieb', laß uns genießen Der flücht'gen Stunde süße Lust!« Und schon mit schreckenden Gebärden Streckt er nach ihr die rohe Hand. Wer soll ihr nur ein Retter werden, Vom Himmel gnädig ihr gesandt? Rasch hat sie sich zur Flucht gewendet; Doch wie ein wutherfülltes Thier Ihr nach der Jäger, bald geendet Wird sein der Wettlauf, wehe ihr. Schon fühlt sie ihre Kraft ermatten, Und jeder Hoffnungsstrahl entschwand Als sie, entflohn des Waldes Schatten, Sich sieht an eines Abgrunds Rand. Sie starrt, als ob der Tod ihr riefe, Und schaudernd blicket sie hinab, Wo in der schreckenvollen Tiefe Sich öffnet ein gewisses Grab. Und niederstürzt sie auf die Knie, Und hebt die Hände himmelan; »Der Unschuld Schützerin, Marie, Nimm gnädig deiner Magd dich an.« Sie ruft's, und zwischen Tod und Schande Hat sie getroffen schnell die Wahl, Und muthig springt sie von dem Rande Der Felsenwand hinab zu Thal. Doch sieh, vom sanften Rosenlichte Erglänzt die Tiefe hell und hehr, Und von des Himmels Angesichte Ergießet sich ein Düftemeer. Die Himmelsmutter hat vernommen Das Flehen ihrer treuen Magd, Und ihre Engel sind gekommen, Ob ihr zu halten sich're Wacht. Und leichten Fluges schwebt sie nieder, Zur Seiten ihr der Engel Schaar, Die als der Unschuld treue Hüter Vor Tod sie schützen und Gefahr. Noch steht das Kreuz, des Wunders Zeichen, Auf steiler Felsenstirn erhöht, Oft in der Nächte stillem Schweigen Von lichtem Heil'genschein umweht.