921. Der Maxelrainer und Schön Ameley. Von E. Duller. – Lexicon von Bayern, III., 289. 1. »Peitscht den Seestrand, wilde Wogen! Geißle Blitz! die falsche Fluth; Denn die Sünd' am heil'gen Blut Kömmt im Grimm herabgeflogen Von des Fluches schwarzem Bogen, Der die Erde hält umzogen, Der im tödtend-eis'gen Ring Jeden Segenskeim umfing. Unversöhnte Elemente! Drum ist holde Maienzeit, Daß ihr euch der Zwietracht freut, Die den holden Bund zertrennte, Die vom blassen Firmamente Niedersandte rüst'ge Brände In der Tochter lüstern Herz, Uebertäubend Vaterschmerz. Als auf flügelschnellem Rosse, Stäubend wie im Sturmesflug, Mich der Gatt' von hinnen trug Aus des Vaters stillem Schlosse, Aus des Friedens heil'gem Schooße, Sah ich nicht des Fluchs Geschoße, Die mein Vater, arg bethört, Nach mir sandt' vom öden Heerd. Doch das Maaß muß sich erfüllen, Die Verheißung gleicht sich aus, Ewig wankt der Sünde Haus. Meiner Sehnsucht heißen Willen Wollte nie das Schicksal stillen, Und kein Friede kann mir quillen, Denn kein Abend bringt das Glück, Bringt den Gatten mir zurück. Wie den Vater ich verlassen, Den der Gram hat aufgezehrt, Läßt mich nun, der mich bethört, Einsam, freudelos verblassen. – Erd' und Himmel muß ich hassen, Können sie mein Leid erfassen? Diesen glüh'nden Liebesdrang Der den Treulosen umschlang!?! Peitscht den Seestrand, wilde Wogen, Geißle Blitz, die falsche Fluth, Denn es wird mein heißes Blut Stürmisch zu euch hingezogen. Seht! die Sünde ist betrogen, Alle Freud' ist ihr entflogen. Zu dir reißt sie mich hinab, Nimm mich auf, du finst'res Grab.« Und sie sprach's mit bleichem Munde, Ameley im wilden Schmerz, Gluth verzehrt Gehirn und Herz, Schwang im Sprung zum offnen Schlunde Tief hinab sich. – Noch zur Stunde Aus des Schliersee's dunklem Grunde Tos't es von der Wogen Schwall Nach des Weibes tiefem Fall. 2. Herbstlich wühlt mit wüstem Brausen, Tief im Schilf des Sturmes Faust Und die Fluth, die stiller braust, Streckt sich flach im dunkeln Grausen. – Molche schlüpfen, Schlangen hausen Tiefer in den feuchten Klausen, Als der Wulf von Maxelrain Spornt den Rappen, – ernst, – allein. »Ameley, du süße Treue!« Ruft es aus im wilden Schmerz, »Weh! dein Tod bricht mir das Herz. Drei der Jahre, daß in Reue Ich den neuen Tag, das neue Licht der Sonne trauernd scheue Weil ich dich, die ich erkor, Schönes Weib, im Tod verlor. Ohne Weilen, ohne Raste Treibt es tobend mich umher, Wie auf sturmgepeitschtem Meer; Und als ob die Welt drauf laste, Keucht die Brust, die gramerfaßte, Und das Leben, das verhaßte, Acht' ich es auch zu gering, Hält mich doch mit ehr'nem Ring.« Prasselnd nieder strömt der Regen, Doch der Ritter sprengt im Flug Wie des wilden Jägers Zug, Wirft die Brust dem Sturm entgegen, Der den Gaul mit mächt'gen Schlägen Treibt auf ungebahnten Wegen Fort, durch tausend Ungemach, Bis zu eines Fischers Dach. Und das Roß scharrt an der Schwelle, Aus dem scheugeborgnen Haus Tritt der Fischer schnell heraus. »Seyd gegrüßt an dieser Stelle,« (Klingt sein Wort gar mild und helle, Dumpf dazwischen braust die Welle,) »Nehmt die Herberg freundlich an, Euren Rappen gürt' ich an.« Als der Graf in's Haus getreten, Deckt der Wirth den kleinen Tisch, Setzt ihm Wein auf, Brod und Fisch. Läßt sein zartes Söhnlein beten Und mit zaubrischem Erröthen Kommt sein Weib zum Tisch getreten, Ueppig schön im schlichten Kleid. Wulf wird Herz und Auge weit! »Sagt, ist dieses eure Frau?« (Fragt er heimlich seinen Wirth, Den er rasch zur Seite führt,) »Dieß ihr Sohn, den ich erschaue?« – (»Ob ich meinen Auge traue!? Sorgend, daß mein Herz mir graue, Schließ ich meine Ahnung ein, In der Falschheit engsten Schrein.«) Dumpf und starr hat er gesprochen, Tief drückt er die Mütz' in's Haupt, Alles ist ihm jetzt geraubt, Und sein Herz, das fast gebrochen, Fühlt er ungestümer pochen, Als in jener holden Wochen, Da er hoch in Ehren, laut, Dieses Weib hieß – seine Braut!! »Seltsam ist des Schicksals Walten, (Spricht der Fischer) und Gewinn Muß uns aus dem Tode blüh'n. Dieß mein Weib hab' ich erhalten, Als des Grames Graungestalten, In den See, den trostlos kalten, Schleuderten sie tief hinein; Die Gerettete ward – mein!« Als der Wulf die Kund' vernommen, Hebt er zitternd seinen Wein, Netzt die bleichen Lippen drein, Rufend: »Ha! willkomm! willkommen! Glücklich wer dem Leid entschwommen, Wem des Grames Leucht' verglommen!« – Und in wüthend lust'gem Sinn Schleudert er den Becher hin. Auf sein Bett mit bitterm Lachen, Wirft sich der betrogne Graf, Den der Pfeil der Untreu' traf. Alle Seelenfoltern wachen Und sie schüren und sie fachen, Bis die letzten Stützen brachen – Wulfens Kissen ist die Pein Und die Rache wiegt ihn ein. 3. Freundlich schmückt man Thor und Zinnen Auf des Maxelrainers Schloß. Freud und Jubel stürmen los; Denn der Graf, der längst von hinnen Schied, kam in des Mai's Beginnen, Wenn von Alpen Brünnlein rinnen, Aus dem heil'gen Land zurück, Wo ihn kränzten Ruhm und Glück. Ueppig lockt der Tafel Freude Und der Tisch ist blank gedeckt, Daß der Anblick Lust erweckt Und in seinem schönsten Kleide Sitzt der Graf (der lang im Leide Tief erbleicht',) im Festgeschmeide Jetzt mit einem Blick am Mahl, Wie in Nacht des Wetters Strahl. Zu dem Vogt, dem altergrauen, Ruft er: »Füll' den Becher an! Einsam bin ich, alter Mann! Und will nette Gäste schauen, Tapf're Männer, schöne Frauen; – Doch in allen deutschen Gauen Blüht kein Weib, die mir gefällt So wie die ich jetzt bestellt. Knechte, bringt mir doch die Gäste!« Rasend flammt des Auges Gluth, Als er näßt in goldner Fluth Seinen Bart beim Maienfeste. »Immer mangelt noch das Beste, Denn ein Band, das stärkste, größte Möcht' ich schlingen mir zur Lust Wie's das Herz will in der Brust!« Durch des Saales Pforte dringen Knechte jetzt mit edlem Wild. Dreifach scheint das Jammerbild, Denn die blut'gen Jäger bringen Ameley in Eisenringen Und, an dem die Blicke hingen, Auch das Söhnlein, auch den Mann Zu dem finstern Mahl heran. »Ei willkommen, seltne Gäste! (Ruft der Graf mit vollem Hohn,) Eurer harrt' ich lange schon. Warum kommt ihr nur zum Reste? Drum zu einem andern Feste Lad' ich euch. Es ist das Beste. Euer Wirth sei Gottes Luft, Sättigend mit würz'gem Duft.« »Seht ihr die drei Klippen ragen, Auf der Alpe höchstem Stein? – Dort nehmt eure Mahlzeit ein! Sturm soll euch die Speise tragen, Sturm nach euren Lüsten fragen! Gäste! ihr müßt nicht verzagen! Seht, die Rache sättigt treu Und den Durst stillt sie dabei! Fesseln soll man euch und schmieden An die Klippen ja recht eng, Daß kein Sturm die Bande spreng', Gehet ein zum ew'gen Frieden! Solches ist der Dank hienieden, Der der Untreu wird beschieden! Nun Glück auf zum luft'gen Mahl! Knechte, nehmt vom stärksten Stahl.« 4. Auf dem üppig weichen Bette Liegt der Graf und kann nicht ruh'n, Denn ihn peint sein arges Thun, Immer weckt's wie Klang der Kette, Wie ein Rufen: »Rette, rette! Von des Felsens hartem Bette.« – Einen Knappen schickt er aus Nach dem wüsten Bergeshaus. Sieben Tage sind verronnen, Seit des Grafen strengem Spruch Und ihn faßt der Reue Fluch. Siebenmal vom Licht der Sonnen Ward sein Frevel hell umsponnen, Seit die Rach' ihr Werk begonnen, Jetzo ihn die Qual erfaßt, Läßt ihm keine Ruh noch Rast. Wieder kömmt der bleiche Bote, Meldend von der Alpe Thron: »Weh! der Spruch erfüllt sich schon, Herr! in Ketten ruh'n zwei Todte, Droben nach dem Machtgebote, Nur gefärbt vom Abendrothe – Und es heult des Berges Wind Um den Vater und das Kind. Nur die Frau, die Frau alleine, Athmet noch im schweren Ring, Der den zarten Leib umfing. Herr! ich sah nicht, daß sie weine, Doch erbarmen möcht' es Steine; Denn so büßte wahrlich keine, Die auf Erden je gefehlt, So die Rache je gequält!« Und dem Grafen kömmt ein Grauen In des Herzens tiefsten Grund, »Sattelt mir mein Roß zur Stund,« (Ruft er,) »denn ich möchte schauen Selbst das Jammerbild der Frauen, Nicht der Angst mag ich vertrauen, Die mir heiß das Herz erfüllt Und der Rache Durst gestillt. Spitze Eisen nehmt zu Handen, Sputet euch und folgt mir nach, Auf des Felsens höchstes Dach Geht mein Ziel. Wenn wir sie fanden Lös't die Frau mir schnell von Banden, Viel gebüßt hat sie für Schanden. Dieß mein Herz ist ja nicht Stein; – Schurken! spornt euch nicht die Pein?« Die drei Klippen sind erklommen, Ha! da schaut der Graf sein Weib, Abgehärmt den üpp'gen Leib, Und es schallt ihm kein Willkommen, Zwar ihr Blick ist nicht verglommen, Doch die letzte Kraft genommen, Daß der Mund spräch einen Laut, – Alles still, – dem Grafen graut. Und die Bande lös't man schnelle, Die Gefesselte wird frei, Büßte ja den Bruch der Treu', – Und sie sinkt von kalter Stelle, Von des Himmels luft'ger Schwelle, Doch es starrt des Blutes Welle. – Wie die Kette fällt vom Leib, Stirbt das unglücksel'ge Weib. Als der Maxelrain gesehen Solche Qual und solchen Schmerz, – Brennt in Wahnsinn ihm das Herz. Nicht zu Gott kann er mehr flehen Reuig – und in gleichen Wehen, Stürzt er sich von luft'gen Höhen In den Abgrund tief hinab. – Keine Seele sah sein Grab!