535. Graf Aswin's Tanne. Von Adalbert Müller. Die Königin des Waldes, Die Tochter alter Zeit – Es ist Graf Aswin's Tanne Mit Feindesblut geweiht. Wohl schaut sie hoch und herrlich Hinein in's Böhmerland Und sagt den Czechen drüben Wer hier sie überwand. In unsrer Väter Zeiten Ging's traun! gar blutig her, Da gab es wunde Schädel Und Scharten in der Wehr. Vom Böhmerwalde stürzten, Gleich eines Bergstroms Schwall, Sich Czeska's wilde Horden Hernieder in das Thal, Und breiteten zerstörend Sich über Dorf und Flur, Und Schutt und Leichen wiesen Der Landverderber Spur. Einst lag im Regengaue, Von Sommers Gluth gereift, Der Felder reicher Segen In Garben aufgehäuft. Das sah der Czechenherzog Und stieß sofort in's Horn; Es wuchs in seinen Wäldern Dem Hungerer kein Korn. Stracks wimmelten die Räuber Hervor aus Wald und Schlucht Und schleppten in die Fremde Des deutschen Bodens Frucht. Doch wachte treu Graf Aswin Auf seinem hohen Schloß; Der Czechen frevles Schalten Sein mannlich Herz verdroß. »Wie, ist der Deutschen Schlachtmuth Erstorben und verweht, Daß Fremde straflos ernten, Was deutsche Hand gesä't? Sind unsre Klingen rostig, Ist unsre Kraft erlahmt?« Er ruft's, und seine Wange Von edlem Zürnen flammt. Und seinen Ritterschaaren Sprengt muthig er voran; Sie stürzen auf die Feinde, Zehn gegen hundert Mann. In Lüften saust die Lanze, Es blitzt der Schwerter Stahl, Bald starrt von rothem Blute Das Gras im Regenthal. Das Beste thut im Kampfe Das edle Grafenbild; Von seiner Streitaxt Hieben Zersplittern Helm und Schild. Ein Wall von Leichen thürmet Sich um den Helden her, Die Feinde zagen, schwanken – Bald steht kein Böhme mehr. Und drauf und dran die Mannen Mit lautem Siegesruf, Was nicht die Schwerter würgen Zermalmt der Rosse Huf. Fortan kein Czechenfalke Herab in's Bayern stieß; Graf Aswin nun und immer Der Schreck der Böhmen hieß. An einer hohen Tanne Der wackre Kämpe stand Und schaute über's Schlachtfeld Herab vom Hügelrand Und seine blut'ge Streitaxt Ergriff er siegesstolz, Und hieb mit starken Schlägen Drei Kreuzlein in das Holz. So ward zum Siegesdenkmal Die Tanne eingeweiht; Noch grünt sie frisch und kräftig Wie in der alten Zeit. Denn Axt und Säge meiden Den Stamm mit frommer Scheu, Und selbst der Stürme Toben Knickt keinen Ast entzwei.