122. Das Marienbild zu Ingolstadt. Von Erfurt. – A. Müller die obere Donau, S. 47. Sie halten heilige Messe Im Dom zu Ingolstadt; Sie bitten vom himmlischen Helfer, Was Jeder zu bitten hat. Es dampfen die Opferschalen, Die Kerzen am Hochaltar. Dort steht der greise Priester Und fleht für seine Schaar. Einsam am letzten Pfeiler Kniet eine Beterin Und wendet zum steinernen Bilde Die Augen in Thränen hin. »Du heil'ge Mutter Gottes, Du Mittlerin bei Gott, Wollst gnädig niederschauen Auf meine Angst und Noth. Daheim im öden Stüblein Mein krankes Söhnchen ruht: Wenn du nicht rettest, Maria, Verzehrt ihn des Fiebers Gluth. Der Vater ist gestorben, Nimmst du mir auch das Kind, So kann ich fürder nicht leben; Ach, sei mir gnädig gesinnt! Du heilg'e Gottes-Mutter, So öffne nur den Mund; Und laß mich, laß mich hören: Dein Knäblein ist gesund!« – Die steinerne Maria Beweget nicht den Mund; Die arme verlass'ne Mutter Ringt sich die Hände wund. Doch jetzt – es blitzt ihr Auge, Sie geht – o Gott erbarm' – Und nimmt der heil'gen Jungfrau Das Jesulein vom Arm. Und trägt's in einen Winkel Und kehret ernst zurück Und spricht mit dumpfer Stimme Und spricht mit trübem Blick: »Du harte Mutter Gottes, Jetzt fühle, wie es schmerzt, Wenn wir das Kindlein verlieren, Das wir so süß geherzt!« – Entsetzen erfaßt die Gemeine, Sie sammeln sich um das Bild Und ergreifen die Frevlerin bebend, Der schaut das Auge so wild. Doch Wunder, heil'ges Wunder! Das Marmorbild sich regt Und lächelt, als in die Arme Das Jesulein man ihm legt. Die arme Mutter betet, Maria öffnet den Mund – Das Knäblein kommt gesprungen: »Lieb' Mutter, ich bin gesund!«