187. Die Gräfin von Orlamünde. Von August Nodnagel. Von des Schlosses hohem Söller Schaut die Gräfin in das Thal; Auf dem Schlosse ruht die Zither, Sieh! da sprengt ein stolzer Ritter Her im Abendsonnenstrahl. Albrecht war's, genannt der Schöne, Nürnbergs hochberühmter Graf, Der die Städter zwang zu weichen Und mit scharfen Schwertesstreichen Jeden kecken Gegner traf. Freundlich blickt er auf zum Schlosse Und sein Helmbusch flattert weit; Denn er grüßt mit Flammenblicken Liebe fordert sein Entzücken, Erster Wonne Seligkeit. Zum Vasallen tritt die Gräfin: »Hayder, sattle flugs dein Roß! Beut dem Grafen Hand und Minne, Ob ich ihn zum Herrn gewinne Und zum Lohne nimm dies Schloß!« Wie der Bot' auch fliegt von dannen, Träg enteilt ihr doch die Zeit. Sieh! da springen in das Zimmer Ihre Kinder, lieb wie immer Voller schelm'scher Fröhlichkeit. Wollt' ihr einen Vater haben, Herzgeliebte Kinder mein? – »Vater ging zu Gottes Freuden, Wo die Wolkenlämmer weiden, Spielt er mit den Engelein.« Hayder kommt zurück und kündet, Was betrübt der Ritter sprach: »Laßt, o Herrin dies Beginnen, Nimmer darf Euch Albert minnen, Eh' der Tod vier Augen brach!« Weh! sie starrt just auf die Kinder Und durchschnitten zuckt ihr Herz. Der verschmähten Liebe Plagen Kann die Stolze nicht ertragen Und zur Wuth wächst an der Schmerz. Mit der Flamme in dem Busen Wandelt sie drei Tage hin – Hört nur in den eignen Hallen Spott und Hohngelächter schallen, Kann sich selbst nicht mehr entfliehn. »Hayder – fleht sie dumpfen Tones – Fördre meine Ungeduld; Morde die verhaßten Kleinen, Sie, nur sie kann Albrecht meinen Und ich trage jede Schuld!« Hayder lockt die beiden Kleinen In's Gebüsch mit Spiel und Scherz; Dort am Weiher, ohn' Erbarmen Packt die Eisenfaust die Armen, Zuckt den Dolch auf's zarte Herz. Ach, das Mägdlein fleht zum Mörder, Thränen in dem Angesicht: »Lieber Hayder laß uns leben, Will dir Orlamünda geben –« Doch das rührt den Buben nicht. Auch das Knäblein ringt die Hände: »Lieber Hayder schone mich, Kriegst dann meinen Helm, den neuen, Traun! es wird dich nicht gereuen, Mutter selbst belohne dich!« Doch sie fallen – da verwirrt Gottes Zorn des Mörders Sinn; Und er kommt mit wildem Tritte, Schleudert in der Diener Mitte Seinen Dolch der Gräfin hin. »Kennst du wohl das Blut der Kinder, Das der Wolf im Forste leckt? Die dort, wo die Birken neigen Haselbusch mit schlanken Zweigen Wehmuth zitternd nun bedeckt?« – Albrecht kam in's nahe Kloster: »Heilige Väter, tröstet mich, Dieser Mord, davon in Tagen Später Zeit man noch wird sagen, Ward begangen – weh! um mich! Agnes liebt' ich wie mein Leben, Höher stand mein Gott mir nur; Aber treue Kindespflichten Wollt' ich dennoch stets verrichten, Bis mich löset die Natur. Vater lebt mir noch und Mutter, Dennoch bin ich nun allein. – Ach ihr Männer! heil'gen Lebens Nimmer schloßt ihr euch vergebens Vor dem tiefen Elend ein!« Und im Kloster ruhn die Leichen Arm in Arm, wie man sie fand. Agnes war seit jenen Stunden Aus der Heimathflur verschwunden Pilgernd in's gelobte Land.