400. Das seltsame Gastmahl. Von K. Egon Ebert. – Bearbeitungen von Wolfgang Müller, L.K. Wittich, A. Grün u.A. Einst lebt' ein Mönch zu Köln am Rhein, Der manches Wunder schuf, Halb in des Zaubrers argem Schein, Halb in des Frommen Ruf; Albertum Magnum hieß man ihn, Und weil er immer hold erschien, So war er gern gelitten In Volks und Hofes Mitten. Der ging den Kaiser Wilhelm an: »Herr, oft an deinem Mahl' Hab ich Bescheid dir schon gethan Aus goldenem Pokal; Da du so lang geehrt mich hast, So sei auch du einmal mein Gast Mit deinen Dienern allen In meinen Klosterhallen.« Der Kaiser sprach: »Mein Wort zum Pfand; Doch dich begreif ich kaum, Hast du der Diener g'nug zur Hand, Und für uns Alle Raum? Für fünf ist schmal die Zelle dein, Der Klostersaal ist eng und klein, Wenn ich zu dir mich finde Mit allem Hofgesinde.« »Drum laß du sorgen deinen Knecht, Er wird sich Raum erseh'n, Es wird wohl Alles gut und recht Und nach Gefallen geh'n.« Hin ging der Mönch, als er so sprach; Der Kaiser lacht', und blickt ihm nach – »Das wird ein Gastmahl werden, Wie keines noch auf Erden!« Doch als der Tag des Mahles kam, Da rief er sein Geleit, Und warm Gewand ein Jeder nahm, Ein pelzverbrämtes Kleid; Denn draußen strich der Wind gar wild, Die Straßen waren schneeverhüllt, Die Flüss' und Bäch' und Bronnen Mit Eisglanz übersponnen. Sie ritten vor das Klosterthor, Das weit schon offen war, Albertus Magnus stand davor In vieler Knaben Schaar; Der Knaben fünfzig schön und zart, Sie nahten sich mit feiner Art Und nahmen ab die Rosse Dem Kaiser und dem Trosse. Dann ging der Mönch den Herr'n voran Durch manchen dunkeln Gang, Bis er ein Pförtlein aufgethan, Draus Helle blendend drang, D'raus Helle, wie vom sonn'gen Tag, Sie kam vom Schnee, der üb'rall lag, Da standen voll Erwarten, Die Gäst' im Klostergarten. Der Mönch schritt immer weiter fort, Der Kaiser folgte stumm Bis mitten in den freisten Ort, Dort sah er staunend um; Dort stand die Tafel lang und breit, Und hundert Schüsseln d'rauf gereiht, Doch unten Schnee und oben Der Himmel dunstumwoben. Wohl harrten fünfzig Knaben hier In goldner Kleider Schein, Wohl strahlte der Geschirre Zier, Wohl funkelte der Wein; Doch standen rings auch Baum und Strauch Im Winterkleid', vom Reife rauch, Und rauschten mit den Aesten Willkommensgruß den Gästen. Ein Murren schlich sich durch den Kreis, Schon war's dem Schelten nah, Und Einer sprach zum Andern leis: »Der Teufel speise da!« Doch weil der Kaiser ruhig war, So blieb es auch die Dienerschaar, Sie setzten sich zu Tische In dieser Winterfrische. Da sprach der Mönch: »Ihr lieben Herr'n, Bei diesem Festgelag Da wolltet ihr gewißlich gern Heut einen Sommertag; Wohlan, ich bin der gute Mann, Der nichts dem Gast versagen kann Es soll sich euer Willen Im Augenblick erfüllen!« Und einen Becher trank er aus Die Augen glanzerhellt, Den Andern goß er weit hinaus In's winterliche Feld, Und wo ein Tropfen sich ergoß, Der Schnee in weitem Kreis zerfloß, Man sah hervor mit Blinken Den frischen Rasen winken. Und plötzlich hauchte linde Luft Der Gäste Wangen an, Und Wohlgeruch, wie Veilchenduft, Strich sachten Zugs heran; Am Himmel riß der Nebeldampf, Es ward ein wilder Wolkenkampf, Zuletzt mit warmem Strahle Schoß Sonnenglanz zu Thale. Da ward es oben licht und blau Und unten mählig grün, Der kalte Schnee ward weich und blau Und floß in Strömen hin; Die spitzen Halme strebten auf, Und Knospen guckten frisch herauf, Die Bäume, froh erschrocken, Entschüttelten die Flocken. Und wärmer ward der Sonne Blick, Er borst des Springbrunn's Eis, Er schoß hinauf und fiel zurück Und sprühte hell im Kreis, Und in der Beete weitem Rund Erblühten Blumen dicht und bunt, Und rings begann an Zweigen Sich Blüth und Blatt zu zeigen. Zugleich erhob sich wirrer Zug Von Käfern aller Art, Der Falter kam im leichten Flug, Die Biene, dicht geschaart, Und Zeisig, Fink und Nachtigall Wetteiferten in hellem Schall Und sangen frohe Lieder Von allen Bäumen nieder. Und während ihres muntern Sangs Ging hoch die Sonn' empor, Und heißer ward's und mächt'gen Drangs Stieg Blum' an Blum' hervor, Zum Fruchtkeim ward die Blüth' in Hast, Bald hingen rings an jedem Ast Im gold'nen Sonnenlichte Die glutgereiften Früchte. Wie staunten da den Wundermann, Dem solch ein Werk gelang, Der Kaiser und die Seinen an, Halb froh und halb auch bang; Sie starrten lautlos um sich her, Der Ritter keiner murrte mehr, Sie hatten All' vergessen Das Trinken und das Essen. Zuerst erhob der Kaiser sich, Und sprach mit mildem Laut': »Nicht fassen kann man sicherlich, Was heute wir geschaut; Doch danken wir dem Gastherrn gut, Der uns erschuf die Sommerglut, Und freuen uns auf's Beste Bei diesem Wunderfeste!« Und wegwarf er von Brust und Arm Das läst'ge Winterkleid, Die Speise war noch völlig warm, Er that ihr ernst Bescheid, Und Alle tranken nun in Ruh' Gesundheit ihrem Wirthe zu Und freuten sich des Tages Im Jubel des Gelages. Erst als der Sonne Scheidestrahl Schon trüb herniederfloß, Erhoben sich vom reichen Mahl Der Kaiser und sein Troß; Der Mönch gab wieder das Geleit, Und draußen fanden sie verschneit In hochgethürmten Massen Die hartgefrornen Straßen. Da sprach der Kaiser: »Was wohl mag So seltnem Wirth ich bieten, Für seinen goldnen Sommertag, Die Lieder und die Blüthen? Du schufst im engen Klosterraum Mir einen schönen wachen Traum, Auch ich laß mich nicht schelten, Und will ihn dir vergelten. Ich will in Dein' und Klosters Huth Zu ew'gem Angedenken, Der Güter mein das beste Gut Mit Land und Leuten schenken; Doch sorge wohl, daß Sonnenschein Das ganze Jahr lang müsse sein Und nimmer Winter werde Auf deiner eignen Erde.« »Herr Kaiser,« sprach der Mönch darauf, »Auf das will ich verzichten, Die Welt hat ihren rechten Lauf Bei Schnee und Blüth und Früchten, Was heut', was einmal ist gescheh'n, Das wird kein Auge wieder seh'n, Und nimmer ich's begehre, Was dir geschah zur Ehre.« »Der Himmel hat der Gaben viel, Der Gnad auf mich ergossen Doch brauch ich sie zum falschen Ziel, So mag er mich verstoßen; Er half mir heute beim Gelag – Doch jeder Tag ist Sommertag, An welchem sich in Treuen Die Guten schuldlos freuen.«