596. Der unheimliche Gast. Von Daniel Lessmann. – Bayr. Chronik eines Ungen. in Freybergs Samml. histor. Schriften u. Urk. I., 101. Ertl relatt. cur. Bav. p. 171. Denkwürdigkeiten aus der Oberpfalz S. 66. Durch's schmale Fenster zitternd floß Des Mondes bleicher Schein; Die Wächter saßen stumm am Thor Und nickten schlummernd ein. Und schlummernd um die Feste schwieg Das nachtbedeckte Thal, Und schlummernd lag das müde Wild Im dunklen Eichensaal. Der einsam aber hoch im Schloß Am Fenstergitter stand, Dem deckt kein Aug' die Nacht hindurch Des Schlummers sanfte Hand. Der arme Herzog Friedrich war's, Den man den Schönen hieß, Den Jahre schon der Bayerfürst Auf Trausnitz schmachten ließ. Am Fenster stand der traur'ge Fürst Und blickte stumm hinab, Und rang die Hände bang verzagt, Als blickt er in sein Grab. Kein Fähnlein weht aus Oestreich her, Kein Freundeshelm zu schau'n, Und rings so weit das Auge trägt, Des stolzen Siegers Gau'n. Da öffnet sich des Kerkers Thür, Als wär' kein Riegel d'ran, Und zum erschrocknen Fürsten tritt Ein freundlich sanfter Mann. »Komm, Friedrich, komm, und laß den Gram! Der Freiheit Stunde klingt, Komm, Friedrich, komm und folg' getrost, Wohin der Freund dich bringt!« Doch Friedrich wird des Worts nicht froh, Und ihn beschleicht ein Grau'n; Nicht hoffend kann er, muthbeseelt In's Aug' dem Retter schau'n. »Wie drangst du, Mann, so wundersam, So stark durch Thor und Wehr? Wen schickt der Himmel gnadenvoll Dem armen Friedrich her?« – »Der Himmel, Friedrich, schickt mich nicht, Drum laßt das Fragen sein; Doch grüßen läßt dich Leopold, Und ängstlich harrt er dein.« »Nach Freiheit lechzt mein armes Herz, Wie nach des Lebens Licht; Doch bist du nicht des Himmels Bot', Der Hölle folg' ich nicht!« Da schwand's und zog mit Sturmgetös Hinweg in eil'gem Lauf; Das Schloßthor klang, die Brücke scholl, Die Wächter schraken auf.