457. Münchner Bierbeschau. Von G. Görres. Schon ziemlich lange mag es sein Man zählte just das Jahr, Als noch die alte Redlichkeit In Deutschland üblich war. Nun damals galt in München auch Ein hergebrachtes Recht, Wie man das neue Bier beschaut, Der Brauch war gar nicht schlecht. Drei Männer sandte aus dem Rath Die Münchner Bürgerschaft Zum Bräuer, ob das junge Bier Geerbt des alten Kraft. Ihr meint, die Herren aus dem Rath Die tranken nun aus Pflicht, Das mag die Sitte jetzo sein, Doch damals war sie's nicht. Sie goßen's auf die Bank fein aus Und setzten drauf sich frei, Und kleben mußte dann die Bank, Erhoben sich die drei. Sie gingen drauf mit selber Bank Vom Tische bis zur Thür Und hing die Bank nicht steif und fest, Verrufen war das Bier. Doch wie hier unterm Mondenschein Auch gar nichts kann bestehn Und sich die Welt nur immerfort Im Kreise pflegt zu drehn, Es kam die aufgeklärte Zeit Und die war dünn und karg Und mit der deutschen Redlichkeit War's lang nicht mehr so arg. Und matt und dünn und aufgeklärt Ward da das Bier halt auch Und somit nahm ein Ende dann Der alte schöne Brauch. Vielleicht daß Gerst und Hopfen man Zu wenig heute pflegt, Vielleicht auch, daß vom Pfennigkraut Zu viel hinein man legt. Doch wird noch von der Bürgerschaft Der alte Brauch geehrt Nur hat sie ihn wie anders auch, In's Gegentheil gekehrt. An ihnen klebt die Bank nicht mehr, Drum kleben sie an ihr, Und sitzen drauf wie angepicht, Als wär's das alte Bier. Und wer den Krug zum Munde führt, Der setzt ihn nicht mehr ab, Bis er den letzten Tropfen hat Gebracht in's sichre Grab.