An Selinde 1. Als das Köpfchen an mir ruhte, Konnt' ich nicht ein Wörtchen sagen; Konnte glühend von Verlangen, Keine Liebkosung doch wagen. Sieh so glühend muß ich lieben, Und du fühlst nicht meine Klagen! 2. Sirene, du Sirene, O wie süß kannst du loben! Da ward ich ganz entzündet, Fern die Klugheit geflohen. Es war, als ob du liebtest, Das hat mich so betrogen: »Die Süße will dich lieben,« Dacht' ich in Lust erhoben. Sirene, o Sirene, Welch Netz hast du gewoben! 3. Laß frei die Flammen, die mich quälend drücken, Sei einmal noch wie sonst ein liebend Weib! Komm an das Herz, das frei von allen Tücken, Gib hin der Lust den jugendlichen Leib, Und laß die zarten Glieder mich umschlingen; Wie sollt' ich sonst das volle Herz bezwingen? 4. Zwar du littest meine Küsse, Doch erwidertest kaum einen, Flammen schwebten auf den Lippen, Und berührten schon die deinen; Doch getäuscht floh'n sie zurücke Und verzehrten sich alleine. Böses Kind, um diese Kälte Könnt' ich wie ein Kind fast weinen. 5. Den treuen Freund auf ewig dir zu weih'n, Hast du ihm deine Freuden hingegeben. Laß auch die Schmerzen offenbar ihm sein, Daß nie der Täuschung Wolken uns umschweben! Schön bist du doch; wozu der eitle Schein? Drum sag' mir, sag' mir alles, süßes Leben, Ich soll und muß an deine Wahrheit glauben, Nur du kannst selber dich mir wieder rauben. 6. Die süße Stunde werd' ich nie vergessen, Als mich der liebe Leib so süß umschlungen, Auch du von meinem Leben warst durchdrungen Uns beid' umschwebt' ein seliges Vergessen! Was darf mit freier Liebeslust sich messen, Wenn endlich jeder Zweifel nun bezwungen, Die Welt in einen Augenblick verschlungen, Und Freude macht das leichte Herz vermessen? 7. Noch einmal laß das süße Gift mich saugen, Fester uns verbünden, Heißer dich entzünden! Noch einmal laß in deinen Arm mich sinken, Daß so umschlungen, Ganz durchdrungen, Ein Blitz der Lust belebend beide töte.