Gebet 1815. Du läßt dich wiedersehen, Des Volkes alter Hort; Heil allen, die verstehen Dein Zeichen und dein Wort! Du wandelst in den Lüsten, Im Säuseln vor uns her, Du rollst in Felsenklüften Die Donner, stark und schwer. O Herr, wir sinken nieder Vor deiner Herrlichkeit, Noch einmal sende wieder Die letzte Gnadenzeit; O hör' auf unser Flehen, Und übe du Geduld, Wenn wir dir eingestehen Die Armuth und die Schuld. Wir haben all' verschwendet Dein Erbtheil und dein Gut, Zum Eiteln uns gewendet Vom ehrbar frommen Muth. Was du so schön bereitet, Was du so wohl bedacht, Hat Alles uns verleitet Zum Trotz auf eigne Macht. Aufs Neu' hat leichter Glaube Dem welschen Wort gehört, Zur Lust an schnödem Raube Hat uns der Geiz bethört. Der sprach von Fürstenehre, Und nicht von Fürstenpflicht, Der nannte seine Heere Und nicht sein Recht Gewicht. Wo blieb die fromme Demuth, In der dein Krieg begann? Das Alles sah mit Wehmuth Der treue, deutsche Mann. Die Völker alle schauten Zur Kaiserburg nach Wien, Ob Jener, dem sie trauten, Zur Krönung möchte ziehn. Ach, harrt nicht seinem Zuge! Das theure Haupt verweilt, Indeß mit raschem Fluge Tod und Verderben eilt. Sie mögen's nicht ertragen, Daß Einer höher ist, Der aller Kinder Klagen Nach gleichem Rechte mißt. Die treuen tapfern Hände, Die jeden Thron gebaut, Des Landes freie Stände – Wird keine Stimme laut? Es zehrt am innern Leben Geheimes, feines Gift, Zu bald wird uns entschweben So freies Wort, als Schrift. Der Volksgeist, hoch beschworen Zum Retter in der Noth, Vergessen und verloren – Wo bleibt er? Ist er todt? Er muß sich wohl verbergen, Daß ihn kein Auge schaut, Weil Sündern und weil Zwergen Vor seinem Anblick graut. So ist ein Jahr verstrichen, Die Gnadenzeit ist aus, Der Argwohn kam geschlichen Bis in das eigne Haus. Und jeder Stamm, der sehnend Zum Bruderstamm geblickt, Hat sich, der Lieb' entwöhnend, Ein Sündenschwert geschmückt. Da sprach der Herr, der Gute, Der ewig treu und fromm: Komm wieder, scharfe Ruthe, Mein heil'ges Werkzeug, komm! Komm her aus der Verbannung, Du tückisch böser Geist, Ob wieder zur Ermannung Mein Volk dein Anblick reißt. O Lanze, welche Wunden So gnädig schlägt, als heilt, Mein Arzt, der viele Stunden, Doch nie zu lang' verweilt, Der, wie in rothen Blitzen Der Himmel sich verzehrt, Den Haß, die Schwerterspitzen Nach außen gnädig kehrt. Herr Gott, nun gnädig wieder! Hier ist all unser Blut! Wir sind nun wieder Brüder, Und eins in Liebesmuth! O du, der Deutschlands Schaden Im rechten Grunde kennt, Herr Gott, Herr Gott in Gnaden, Den Alles Helfer nennt! Nun kehrt zu allen Sinnen, Vom jungen Strahl durchzückt, Das fröhliche Beginnen, Das man zu früh erstickt. Der Süden soll sich regen, Wie Norden sich geregt – Ein muthiges Bewegen, Ein Puls, der mutig schlägt. Noch ist nicht ganz verdorben Das reine deutsche Blut, Noch ist nicht ganz gestorben Der Deutschen Treu' und Muth! Ach, Alles mag noch werden Viel besser, als es war, Und endlich wol zur Erden Kommen das große Jahr. Ach, Alles soll vergessen, Vergeben Alles sein, Nach rechtem Maß gemessen – Wer hieße fromm und rein? Und eben, weil kein Reiner In unsern Reihen steht, So sei fortan auch keiner Gelästert und geschmäht. Ihr lieben deutschen Fürsten, Macht eure Thore weit! Schaut, wie die Völker dürsten Nach eurer Freundlichkeit! Ihr seid ja rechte Sprossen Der alten Heldenkraft, Seid wieder auch Genossen Der treusten Völkerschaft. Du reiner, deutscher Adel, Nicht Ahnen, Thaten zählt! Nicht strenger Väter Tadel, Was Lob den Vätern, wählt. Nicht welsche Tänze tanzen, Mit Pförtnerschlüsseln gehn – Eichbaum im Wald von Lanzen, Im Volkssturm sein, ist schön! Ob jene Stämme brachen – Die Bürger stehn in Kraft. Komm zu den Morgensprachen, Du fleiß'ge Bürgerschaft! Wir laden euch zum Werke, Ihr Meister all mit Gunst, Es ruht in euch die Stärke, Die Weisheit und die Kunst. Aus Werkstatt, Schulen, Hallen Bricht kühne Lust hervor; Die Städtebanner wallen, Man kämpft ums eigne Thor. Das ist die rechte Innung, Die so nach Außen dringt, Die einzige Gesinnung, Die hell ins Leben klingt. Im Leben und im Wandel, Im Frieden und im Streit, Im Hause und im Handel Zu jeder Frist und Zeit Soll Alles ehrlich halten Auf Zucht und Fleiß und Treu, Dann wird das Glück der Alten Auch wieder bei uns neu. Ihr Männer unbescholten, Ihr Bauern klug und stark, Die immerfort gegolten Als rechtes Landesmark, Nun gilt es auszustreuen Die rechte goldne Saat; Ein ewiges Gedeihen Entsprießet eurer That. Es gilt, ob ihr noch wohnen Wollt in dem Vaterland; Ob hier noch Erntekronen Soll winden Mädchenhand; Ob euren freien Erben Der Väter Erbtheil frommt – Zum Kämpfen, auch zum Sterben, Ihr treuen Bauern kommt! Vor Allen du berufen, Vor Allen du geweiht, Du an des Altars Stufen, O rechte Geistlichkeit! Was Pfänder, was Geschenke, Hat Gott dir anvertraut! Erwäge das, bedenke: Die Kirch' ist Gottes Braut! So hebet eure Hände Und betet: es ist Noth! Und was ein Jeder spende, Ob Lebensmark, ob Brod, Zu reinigen, zu sühnen Den theuren deutschen Stamm, Soll Jeder sich erkühnen Und heißen Opferlamm. Er wird uns nicht versäumen, Der's immer wohl gemacht; Er spricht in Bildern, Träumen, Im Wort und in der Schlacht. Herr Gott, wie wird es werden, Wenn ganz der Feind erliegt, Und ganz auf deutscher Erden Dann Licht und Freiheit siegt! O sei dann endlich weiser, Du Heerde ohne Hirt, Und wähle schnell den Kaiser Und zwing' ihn, daß er's wird. Laß Fürst und Bürger schwören Dem Herrscher stark und mild, Dann wird er sein in Ehren Des Reiches Haupt und Schild. Haus Oestreich und Haus Preußen, Ihr beiden seid es doch! Ihr könnt uns schnell entreißen Dem letzten Schimpf und Joch. Die andern werden wollen, Wenn ihr es redlich wollt; Ein Dank, den Völker zollen, Heißt mehr als Sieg und Gold. Herr Gott, der allen Sündern In Gnaden gern vergibt, Und an gefallnen Kindern Im Strafen Wohlthat übt – Wir Alle sinken nieder, Und beten dankend an, Sind eines Reiches Glieder Und kämpfen Mann für Mann!