Am Parnaß Noch lebst du, schöner Gott des Lichts! Ob auch Dein letzter Tempel längst zerfallen Und nie mehr bei der Lyderflöten Hauch In Delphi fromme Chöre schallen: Noh flammen Hellas' Felshöhn dir, Apoll, Bei jedem Frührot als Altäre, Noch donnern bei Korinth mit Flutgeroll Den Hymnus dir die beiden Meere. Und wem, von höherm Drang entflammt, das Herz Hinausstrebt aus der Zeiten Enge Zu dir, so wie die Blume sonnenwärts, O König ewiger Gesänge, Das Antlitz wendet er; nach Griechenland Führst du ihn heim in wachen Träumen Und lässest ihm am Munde, voll zum Rand Der Dichtung Götterbecher schäumen. Nicht drängen Blätter sich im Wald so dicht, Die vom Geäst der Herbstwind wehte, Wie drunten, Trümmerschicht auf Trümmerschicht, Verschollene Hellenenstädte; Hinweggeschwemmt hat der Barbaren Flut Das Volk der Griechen von der Erde; Ein neu Geschlecht entfacht die Opferglut Auf eines neuen Gottes Herde. Doch wenn mein Blick vom Hange des Parnaß Dahinschweift längs der Felsen Fuße, Wo hier und da aus Schutt von Tempeln blaß Aufragt ein hagres Bild der Buße, Oft fernher hör' ich deiner Leier Klang, Und hell beginnt die Luft zu strahlen; Du nahst! Ambrosisch Duften quillt beim Gang Von deinen goldenen Sandalen. Und fortgenommen von Gebirg und Flur Ist der Verödung Fluch, und wieder, Von dumpfem Alpdruck frei, schlägt die Natur Empor die schweren Augenlider, Und Tempeldächer blicken marmorweiß Durch Lorbeerwipfel und Platanen, Und durch die Zweige hin rauscht dir zum Preis Der Schall von festlichen Päanen. So, mag ein neuer Gotensturm Ruin Der Welt von heute auch bereiten, Lächelnd, in ew'ger Jugend hin durch ihn, Gott des Gesanges, wirst du schreiten; Wie Strahlen schon vor Morgen nach und nach Mit Licht der Berge Haupt verklären, Spielt um die Stirne dir der junge Tag, Wo wieder dich die Menschen ehren.