Der Blinde An E.A. Nicht im Frührot siehst du mehr Purpurn glühn die Himmelsränder, Nicht den Tag, der hoch daher Wandelt um die Erdenländer, Nicht des Mondes milden Schein, Noch den Frühling und die Rose: Ewig starrt dein Blick allein In die Nacht, die grenzenlose. Aber herrlich strahlend bricht, Wie Arktur durch Wolkenrisse, Deiner Seele klares Licht Durch des Auges Finsternisse; Denn was andern Blindheit heißt, Gab der Himmel dir als Hülle, Drunter ungestört dein Geist Schwelg' in reinen Glanzes Fülle. Hell wie durch ein Seherohr, Schaut er tief im sternbesäten Aetherblau den Reigenchor Aller Sonnen und Planeten, Und das Kreuz, das überm Haupt Unsrer Elterväter kreiste – Längst ist seiner nun beraubt Unser Himmel, der verwaiste. Fernehin des Orients Thore sieht er aufgeschlossen Und den ersten Erdenlenz Ueber Eden ausgegossen, Sieht von Indiens Kaukasus Hoch aufglühn die Gletscherzinnen Und den Paradiesesfluß Vierfach durch die Länder rinnen; Sieht die Inseln Griechenlands Glorreich tauchen aus dem Meere, Und der Chöre Feiertanz Um die flammenden Altäre, Und mit Rossen, die den Tag Aus den mächt'gen Nüstern sprühen, Bei der Wogen höherm Schlag Helios nahn im Morgenglühen. Milde leuchtend immerdar, Dämmert durch der Zukunft Schleier Dir das neue Erdenjahr Und die große Frühlingsfeier, Wenn die Menschen sich, befreit, Nur dem Joch der Liebe fügen, Und, wie in der goldnen Zeit, Lamm und Leu beisammen liegen. In der Nacht der Blindheit so Mahnst du mich, beglückter Seher, An den Aar, der sonnenfroh Droben schwebt, dem Lichtquell näher; Ach! uns Seh'nde labt sie nicht, Jene lautre Strahlenquelle; Uns erstirbt das höhre Licht In des Tags gemeiner Helle.