Metella Siehst du das Weib im Kleid der Trauer, Das Tag für Tag seit Jahresdauer Durch Rom dahinwankt hauptverhüllt, Und seine Hügel all, die sieben, Rastlos vom Schmerz umhergetrieben, Mit lauter Weheklage füllt? Schon frühe mußte sie den Gatten In seiner Väter Gruft bestatten; Die Kunde ward ihr dann gebracht, Daß er, den sie geliebt vor allen, Ihr Sohn, ihr Lentulus, gefallen In Cannäs mörderischer Schlacht. Und als ihr kam der Trauerbote, Da, selber bleich wie eine Tote, Rief sie am Herd die Götter an: »Laßt mich, ihr Lenker der Geschicke, Allein auf Erden nicht zurücke! Erlöst mich von des Lebens Bann!« Zwölf Monde sind seitdem geschwunden; Sie hat den Tod zu allen Stunden Als einz'gen Retter sich erfleht; Sie trat durch jede Tempelpforte Und stammelte dieselben Worte, Doch unerhört blieb ihr Gebet. Und, Asche auf das Haupt sich streuend, Irrt sie, den Wehruf stets erneuend, Vom Quirinal zum Palatin: »Das einz'ge war er, was ich hatte; Mehr noch, als da mir starb der Gatte, Verwitwet bin ich nun durch ihn. Wen soll ich an die Brust nun pressen? Auf wessen Lippen, ach, auf wessen Drück' ich den warmen Mutterkuß? Wer wird mich jetzt im Alter stützen, Wer plaudernd mir zur Seite sitzen, Seitdem dahin mein Lentulus? Ach, hold und schön, mit achtzehn Jahren Durch Schwerter blutiger Barbaren Fiel er dem grimmen Mars zum Raub, Und fern dem Sitz der hohen Ahnen Umschweifen ruhlos nun die Manen Des Jünglings windverwehten Staub. Mich aber hält, daß von der Erde Ich nicht hinweggenommen werde, Der strengen Götter Machtgebot; Nichts rettet mich vom Leid, dem herben; In Jammer muß ich ewig sterben, Und ewig flieht mich doch der Tod!« So klagt sie laut; da plötzlich schreitet, Vom Jubelruf des Volks begleitet, Im Erzgewand mit hurt'gem Fuß Ein junger Krieger durchs Gedränge; »Sieh da!« – so ruft es aus der Menge – »Metella, sieh! dein Lentulus!« Und sprachlos, ohne sich zu regen, Starrt sie dem Kommenden entgegen, An ihren Busen sinkt der Sohn; »O Mutter, Mutter! lang im Lager Hielt mich gefangen der Karthager; Den Göttern Dank, ich bin entflohn!« Doch sie bleibt stumm; umklammert hält sie Den Teuren, dann zu Boden fällt sie, Und durch die Menge raunt es sacht: »Für immer hat sie ausgerungen! Was nicht dem langen Gram gelungen, Das hat die Freude schnell vollbracht.«