Die Tempel von Theben Rötere Strahlen gießt die Sonne Auf den leise flutenden Nil; Hochauf mir zu Häupten flammt Des Amenophis Koloß, Fernher schon in der bleichen Wüste Von den Karawanen erblickt, Wenn von des innersten Meroë Palmenoasen Sie nordwärts ziehen; Im scheidenden Lichte glänzen An des heiligen Stromes Ufern Die Trümmer einer zerbrochenen Riesenwelt, Hallen und Pfeiler, ins Unermess'ne gedehnt, Gestürzte Titanenbilder, Halb im wogenden Sande begraben. Erstgeborne der Städte, Hundertthoriges Theben! Wie schwand das jubelnde Gedränge, Das deine Säulenstraßen durchwogte, Wenn, heimkehrend im Siegeszuge, Sesostris bezwungene Völker, Sei es vom eisigen Oxus, Sei's vom Lande der schwarzen Aethiopen, Vor dem goldenen Sichelwagen dahintrieb? Nie mehr haucht dein Memnon Der nebelgebornen Aurora Klangvoll entgegen den Morgengruß! Deine Tempel, statt von lotosbekränzter Jungfraun Festlichen Chören, Nun von Schlangen der Wüste besucht! Unwandelbar nur seit der Zeiten Beginn Schaun Libyens Felsengebirge Hinab auf die Trümmer von Reichen, Die sie werden und fallen gesehn. Wag' ich den Gang Durch die Reihen verwitterter Sphinxe, Die, noch in die alte Traumnacht versunken, Zu Seiten des Weges brüten? Wie ins Unendliche zieht sich der Pfad Vorbei an verschollener Königsgeschlechter Palmenumrauschten Gräbern, An Mauern und Säulengängen, Wo jahrtausendelang Schon flutendes Leben gewogt, Bevor noch zu Kolchis' Fabelstrande Die Argonauten gesteuert. Im bleichen Scheine des Mondes, Der über Arabiens Hügeln steigt, Himmelan ragt vor mir das Thor Von Karnaks Tempelpalast. Auf thun sich die Hallen, Mauern auf Mauern wie Felsen getürmt, Säulen, gleich blitzzerschmetterten Giganten Häuptlings gestürzt, im Todeskrampf Aneinander sich klammernd, Spalten und Risse und Höhlen, Als ob sie der Erdstoß in Felsen gesprengt! Weiter nun, weiter, Mit den gleitenden Schatten der Nacht Von Halle zu Halle, von Saal zu Saal, Wo an Wänden und Obelisken In stummer Sprache Hieroglyphen Von den Wundern der Vorzeit stammeln Und Riesengestalten aus den Nischen Wie vom Anfang der Zeiten herniederschaun! Du dort im mystischen Dunkel Zwischen steinernen Tafeln und Himmelskugeln, Mächtige Göttin, Die seit dem grauenden Morgen der Welt Unter dem nie gelüfteten Schleier Gedanken der Ewigkeit sinnt: Löse die bangen Zweifel mir! Ueber der Erde weiten Totenacker Bin ich gewandert; Vom Auf- zum Niedergang versank mir der Fuß In der Asche zerstörten Lebens, Wirbelte der Völker Staub Unter meinem Tritt. Werke von Uebermenschen Fand ich wie Kinderspielwerk zerbrochen, Reiche und Religionen Bis auf den Namen verschollen. Und ist in dem ew'gen Vergehn und Werden Denn nirgend ein Halt? All der Myriaden Menschen Geschick, Die über die Erde geschritten, Ist es, ein Irrlichttanz, Im großen Dunkel erloschen, Und taumelt Geschlecht auf Geschlecht Der Vernichtung entgegen, Daß ein Weltalter das andre betrauert, Bis Vegessenheit alles verschlingt? O in die öde Nacht des Gedankens Laß einen Lichtstrahl gleiten, Daß in der Verzweiflung finstern Abgrund Nicht die zagende Seele versinke! Stille ringsum, nur vom Knistern Der zerbröckelnden Trümmer unterbrochen. Schweigend hat die Göttin den Schleier Um ihre Träume gebreitet; Fort und fort brüten die Sphinxe Ueber der Zeiten großes Rätsel; Aber droben, wo aus der weiten Unendlichkeit Mit leuchtenden Sternenaugen Die Nacht herabsieht, Ruht das Geheimnis Ewig unenthüllt Ueber allen Himmeln.