Der eiszapf In dem lieben ton Caspar Singer. 20. febr. 1536. 1. Zu Venedig ein kaufman saß, der über mer gefaren was nach kaufmanschaft, als ich es las; im vierten jar kam er mit reicher habe; Als er kam in das hause sein, sach er laufen im sal allein ein zwijeriges kneble klein in weißem har; er sprach: »wes ist der knabe?« Die frau sprach: »hör! in einer nacht lag ich und war ganz munder, und so herzlich an dich gedacht, ein eiszapfen herunder aß ich vom dach; von des natur ich schwanger wur. ist das nit ein groß wunder? 2. Schau an, mein man, von disem eis gebar ich dises kneblein weiß.« der man vermerkt den list mit fleiß und wol verstant, das sie ir e het brochen; Tet doch als nem er sein nicht war. als der knab alt wurt vierze jar sprach er: »mein weib, nim war, ich far in fremde lant drei jar und etlich wochen. Den knaben wil ich nemen mit, das er mein handel lere.« dem weib gefiel der anschlag nit, und weret dem man sere. zu widerbringen er verhieß; erst sie in ließ hin füren über mere. 3. Da verkauft er den knaben frei einem kaufman in die Türkei, fur wider heim; die frau die schrei: »wo hast mein kint gelaßen auf der reise?« Er antwort: »da wir furen hin, die sunn so überhitzig schien auf deinen sun, und hat auch in zerschmolzen schwint zu wasser wie ein eise.« Die frau den list gar wol verstunt, dacht an ir falsch fußtapfen; stilschweigent sie die wort verschlunt, recht wie ein hunt ein krapfen. darum wer weit ausreis, der schau, das im sein frau die weil eß kein eiszapfen.