Vermanung zur buß In der hohen tag oder morgenweis Hans Sachsen. 1518. 1. Es ruft ein wachter faste: »des hohen tages glaste dringet von orient, die nacht gen occident sich lent, es nahet gen dem morgen. Darum, du fremder gaste, alhie nit lenger raste, von deiner lieb dich went und mach dich aus der burg behent gar heimlich und verborgen. Mein her leit in dem sale in seines schlafes quale, der gen dem tag aufstet, und so er hie begreifen tet dich und die hochgeboren, die er im hat erkoren, do er die fünt geschmecht, durch sein urteil und scharfes recht het ir den leib verloren, dem seinen schwinden zoren ir nit entrinnen mecht, wan er stürzet euch beide schlecht ab in das tiefe tale, dan würt euch freude schmale. darum weich aus dem bet, bewar dich und dein lieb vor net, du stehst in schweren sorgen.« 2. Wer ist der küne helde, der sich hat zugeselde dem zarten freuelein? mensch, merk, das ist der leibe dein; ist auf der burg entschlafen In sünden manigfelde; das freulein auserwelde bedeut die sele rein, die got hat nach dem bilde sein gar adelich erschafen. Der wachter an der zinnen ist die vernunft mit sinnen: »wach auf!« so ruft er drat: »wach auf von sünden, es ist spat. vergangen ist dein zeite, der tot ist dir nit weite, bedeut des tages licht. got ist der her, ich hie bericht, der in dem sal noch leite seiner barmherzikeite, wart auf gut zuversicht. darum zu reu, beicht, buß dich pflicht. dardurch magstu entrinen, kumen frolich von hinen, e dich erschleicht der tot. und folgest du nit weisem rot, leib und sel wirt got strafen. 3. Merk, so in sünden diche der grimme tot erschliche, zuhant erwachet got mit der gerechtikeite drot funt er euch dan beflecket, Das selb er an euch riche, stürzet euch schnelikliche in den ewigen tot, der fal ewig kein ende hot; kein reu euch darnach klecket; Sunder in dem gefilde ist alle freud ganz wilde. der fal ist also tif; kein lebent herz die pein begrif, merkt: der verdamten schare gotlichen anblick klare sehen sie nit ewick; wan sie dunket ein augenblick wol hundert tausent jare. sünder, nim der straf ware! und lös dein schlaf, dich schick und lös dich aus der sünden strick.« Maria, junkfrau milde, du senftmütiges bilde, so ich in sünd entschlif, mit der genaden stim mir rif, das ich wir aufgewecket.