An eine junge Holländerin Rom, im Herbst 1873. Auf des Wartsaals hartem Sopha Liegend halb, das ros'ge Antlitz Von dem blauen Reiseschleier Hold umflossen, blickst du sinnend Nach dem Fremdling, der inmitten Tief gebräunter Römerenkel Vor dir steht mit heller Locke Und mit Augen, blau wie deine. Will er dich der fernen Heimat An der Zuidersee gemahnen, Die du in der Schwestern Kreise Und der Eltern Hut verlassen, Um zu schau'n die ew'ge Roma, Um zu schau'n den Dom Sankt Peter Und Apoll im Vaticane? Wahrlich, unbefriedigt scheinst du Von den Herrlichkeiten allen – Und doch müd', fast überdrüssig, Ungeduldig schon, zu scheiden Von dem wunderbaren Leben, Das dich hier so fremd umwogt hat. Und aus deines Blickes Leuchten, Aus dem Wallen deines Busens Spricht die Sehnsucht, die du mitnimmst, Wie du sie hieher getragen: Jene Sehnsucht, die sich nimmer Durch den Schutt zerfall'ner Tempel Und geborst'ner Colonnaden, Nicht durch Raphaels Engelsköpfe Stillen läßt, noch durch die bleichen Marmorbilder der Hellenen. Und wie ich dich so betrachte, In die lebenswarme Fülle Deiner Schönheit mich versenkend: Fühl' ich, wie auch meine Seele, Die sich eben sanft beschwichtigt Auf der Kunst geweihtem Boden, An dem Geiste hoher Ahnen, Wieder heiß verlangend aufbebt. Tiefverhalt'ne Gluthen lodern Fühl' ich plötzlich, und es ist mir, Als hätt' ich in dir gefunden All das Glück, darnach ich ringe, Seit ich athme – und entbehre ... Horch! Ein Pfiff und laute Rufe; Thüren werden aufgerissen – Und schon trittst du, rasch den Schleier Niederlassend, mit den Deinen Zarten Fußes auf die Schienen, Wo du im Waggon verschwindest. – Träumend steh' ich vor dem Zuge, Der zu neuem Lauf sich rüstet Mit Gestöhn und wildem Schnauben. Jetzt ein Ruck – ein leises Rollen – Und er führt dich in die Weite, Rascher immer, immer mächt'ger Vorwärts drängend. Und ich folg' ihm – Erst mit Blicken, dann im Geiste, Wie er hineilt durch die hehre Götterlandschaft mit den alten Wundervollen Städtebildern, Bis zu jenem hellen, lichten Marmorbautenkranz am Arno. Und von da, hinan, hinunter, Nach Bologna, nach Venedig, Durch die grünen deutschen Lande, Fort am Rheinstrom – bis sich endlich Aus der Fluth entfernten Meeres Deine Vaterstadt emporhebt: Amsterdam, so reinlich kühlig – Amsterdam, wo bald der stolze Mynheer, wohl der Ersten Einer An der weltberühmten Börse Und ein großer Tulpenzüchter, Dir die ringgeschmückte Hand reicht, Um zu stillen jene Sehnsucht, Die du einst nach Rom getragen ... Ich jedoch – hinunter will ich Durch Campanien im Fluge, Nach dem Golfe von Neapel, Wo das Leben tausendfarbig Aufblitzt, wo der jugendliche Phönix Schönheit aus den Flammen Wildesten Genusses täglich Neu ersteht – und selbst der alte Dräuer mit der Rauchkapuze Machtlos wird vor Myriaden Lustgeschwellter Daseinskeime. Dort im Rausche jener tollen Stadt will ich vergessen lernen, Daß ich dich geseh'n, du holde, Mir verlor'ne Menschenblume. Und bewähren soll sich wieder Mein Verhängniß, das mich immer Aus erhab'nen Lichtgefilden Niederzwingt in dunkle Tiefen Unruhvollen Erdendranges, Bis ich einst an unerfüllten Herzenswünschen still verblute – So wie du!