Liebesscene Als Epilog. Der Nachmittag war glühend heiß. Ich saß In eines Wirthes menschenleerem Garten; Gedankenvoll, beim kaum berührten Glas, Wollt' ich des Abends Kühlung hier erwarten. Still durch die Wipfel strich ein schwüler Hauch, Gedämpft erklang des Straßenlärmes Wogen; Nach Krume zwitschernd, wie es Sperlingsbrauch, Kam ab und zu ein kleiner Gast geflogen. Da hört' ich plötzlich nahen Doppeltritt – Und zwei Gestalten, hoch und schlank, erschienen: Ein junges Paar, mit raschem, leichtem Schritt, Mit hellen Augen und mit klugen Mienen. Er fast ein Jüngling noch. Mit breitem Rande Saß lässig ihm der Hut auf dunklen Locken; Zartbusig sie; auf lichtere Gewande Fiel blond ihr Haar, so wie der Flachs vom Rocken. Sie sah'n mich nicht und setzten sich zur Rast – Man merkte wohl, sie seien noch nicht Gatten – Nach kurzem Wählen mit zufried'ner Hast Gleich in des nächsten Baumes breiten Schatten. Nachdem sie sich mit raschem Trunk erfrischt, Und auch vom Brod gebrochen einen Bissen, Lag schon ein Buch vor ihnen aufgetischt – Ein großes Buch, zerlesen und zersplissen. Von »Lanzelot« und von »Ginevra« war, Das sah man, nichts in diesem Buch zu lesen; Dem Kennerblicke ward sofort auch klar, Daß es ein Werk der Wissenschaft gewesen. Vielleicht von Darwin oder Stuart Mill – Wie ändern sich, so dacht' ich, doch die Zeiten, Indessen Jene, leidenschaftlich still, Herniederseh'n auf eng bedruckte Seiten. Und er, so wie in unbewußtem Thun, Die Hand nur legt auf ihre schmale, feine – Und sie, wie um beim Lesen auszuruh'n, Die zarte Wange sanft lehnt an die seine. Mir aber ward der Anblick zum Gedicht, Zu einem neuen hohen Lied der Liebe, Da ich verklärt sah von des Geistes Licht Auf Erden schon den dunkelsten der Triebe. Und mich erhebend, tief bewegt und leis', Ging ich hinweg mit Schritten, kaum zu hören, Um solcher Herzen reinen Zauberkreis Und diese heil'ge Feier nicht zu stören.