Siebente Reihe Winter Morgen-Abendstern Ich schaut' am Neujahrsabend Zum Himmel aus und sah: Im Westen stand so labend Der Stern der Liebe da. Ich blickt' am Neujahrsmorgen Dann wieder auf, und sieh'! Am Himmel wohlgeborgen Stand er im Osten hie. Du hast dich wohl betrogen, Spricht ein gelehrter Mann; Weil nie am Himmelsbogen Geschehn dergleichen kann: Es läßt der Stern entweder Dort oder hier sich sehn, Doch kann er nicht in jeder Gestalt zugleich bestehn. Das weiß ich selbst am besten, Daß nie euch weisen Herrn Zugleich in Ost und Westen Erscheint der Liebe Stern. Der aber, den ich meine, Der steht an jedem Ort, Und in viel hellerm Scheine Als der am Himmel dort. Der Stern, daß ich es sage, Ein Stern ist solcher Art, Wie ich im Busen trage Die Liebe hoch und zart; Der hat mich angefunkelt Wohl zu des Jahres Schluß Und strahlet unverdunkelt Mir auch den Morgengruß. Der Stern hat mir verheißen, Daß bei des Himmels Dreh'n Und bei der Jahre Kreisen Er nie will untergehn; Er will, wie eins sich neiget, Stets funkeln hell und klar, Und wie ein andres steiget, Noch immer heller gar. O sel'ge Doppelhelle Von wunderbarem Schein, An jedes Jahres Schwelle Mir leuchtend aus und ein! Nicht auf und nieder gehend, Bald nah' und bald auch fern, Nein, fest im Wechsel stehend, Ein Morgenabendstern. Wenn nun das ganze Leben Verrollt ist wie ein Jahr, Sollst du im Abend eben Noch stehn so hell und klar; Und wenn ein neuer Morgen Aufdämmert aus der Nacht, So grüß' mich wohlgeborgen Zuerst in deiner Pracht.