Die Straßburger Tanne Bei Straßburg eine Tanne Im Bergforst, alt und groß, Genannt bei jedermanne Die große Tanne bloß, Ein Rest aus jenen Tagen, Als dort noch Deutschland lag; Die ward nun abgeschlagen An diesem Pfingstmontag. Da kamen wie zum Feste Zusammen fern und nah' In ganzen Scharen Gäste, Und sahn das Schauspiel da. Sie jauchzeten mit Schalle, Als niedersank ihr Kranz, Und hielten nach dem Falle Im Forsthaus einen Tanz. Hat einer wohl vernommen, Was, als die Wurzel brach, Im Herzen tief beklommen Zuletzt die Tanne sprach? Ein Widerhall vernahm es, Der trug von Ziel zu Ziel Es weiter, und so kam es Hier in mein Saitenspiel. So sprach die alte Tanne: Ich stehe nun der Zeit Hier eine lange Spanne In dieser Einsamkeit, Von dieses Berges Gipfel Mich streckend in die Luft; Es webt um meine Wipfel Noch der Erinn'rung Duft. Ich sah in alten Zeiten Die Kaiser und die Herrn Im Lande ziehn und reiten; Wie liegt das heut so fern! Da mocht' ich wohl mit Rauschen Sie grüßen in der Nacht, Und mit den Winden tauschen Gespräch von deutscher Macht. Dann kam die Zeit der Irrung, Des Abfalls in das Land, Voll schmählicher Verwirrung, Da ich gar traurig stand; Es klirrten fremde Waffen, Es zuckte mir durchs Mark, Ich sah die Zeit erschlaffen, Und blieb kaum selber stark. Den Himmel sah ich säumen Ein neues Morgenrot, Es scholl aus fernen Räumen Der Freiheit Aufgebot; Ich sah auf alten Bahnen Die neuen Deutschen gehn, Die lang entwohnten Fahnen Vom Rheinstrom her mir wehn. Da schüttelten die Winde Mein altes Haupt im Sturm; Vor Schreck entsank der Rinde, Der sie genagt, der Wurm: Nun werden deutsch die Gauen, Vom Wasgau bis zur Pfalz; Und wieder wird man bauen Hier eine Kaiserpfalz. Doch als das große Wetter Eilfertig, ohne Spur, Wie Windeshauch durch Blätter, Dahier vorüberfuhr: – Mein Wipfel ist geborsten, Es wird nicht mehr der Aar In diesen Forsten horsten, Der meine Hoffnung war. Lebt, Adler, wohl und Falken! Ich fall' in Schmach und Graus, Und gebe keinen Balken Zu einem deutschen Haus; Man wird hinab mich schleppen, Und drunten aus mir nur Versehn mit neuen Treppen Mairie und Präfektur. Doch, jüngre Waldgeschwister, Ihr hauchet frischbelaubt Teilnehmendes Geflister Um mein erstorb'nes Haupt; Euch alle sterbend weih' ich Zu schönrer Zukunft ein, Und also prophezei' ich, Wie fern die Zeit mag sein: Einst einer von euch allen, Wenn er so altergrau Wird, wie ich falle, fallen, Gibt Stoff zu anderm Bau, Da wohnen wird und wachen Ein Fürst auf deutscher Flur; Dann wird mein Holz noch krachen Im Bau der Präfektur.