Ernstliche Betrachtung der Gewißheit deß herannahenden Jüngsten Tages, und waß für ein Gericht daran sol geheget werden Dises kan man singen auf die Melodei des Kirchengesanges: Wachet auff, jhr Christen alle, etc. 1. Last ab von Sünden alle, Last ab und zweifelt nicht, Daß Christus wird mit Schalle Bald kommen zum Gericht. Sein Stuhl ist schon bereitet, Der Herr komt offenbahr, Er komt und wird begleitet Von einer grossen Schaar. 2. Erschrik, ô sichre Seele, Diß ist der letste Tag. Dein Leib komt auß der Höhle, Darin Er schlaffend lag: Da must du stehn entkleidet Und hören an mit scheü, Wie Christus selber scheidet Den Weitzen von der Spreü. 3. Wol Dir, so Du geschmükket In wahrem Glauben bist, Alßden wirst du gerükket Hinauf zu Jesu Christ: Weh' aber Dir von Hertzen, Drükt Dich der Sünden Joch, Der Satan wird mit Schmertzen Dich stürtzen in sein Loch. 4. Waß wird der Richter machen? Der richtet nicht allein, Er wird zu gleich in Sachen Dein wahrer Zeüge sein. Den wirst du sehr erschrekken, Wen auf dem Urtheilsplan Der Richter wird aufdekken, Waß heimlich du gethan. 5. Wie wilt du doch bestehen Für seinem grossen Zorn, Wen Er Dich lässet sehen Die Wunden, Schläg und Dorn Und waß Er mehr getragen, O schnöder Knecht, für Dich. Bald wird dich Christus fragen: Warum, Mensch, schlugst Du Mich? 6. Hab Ich nicht gern vergossen Mein Bluht für deine Schuld? Ward Ich nicht fest geschlossen? Litt Ich nicht mit Geduld Die nie verdiente Straffen Und Marter Tag und Nacht, Biß Ich, am Kreütz entschlaffen, Hab' alles vollenbracht? 7. Wie hast du nun vergolten Mir, waß Ich dir gethan? Oft hast du Mich gescholten, Bist oft die Sündenbahn Mit dem verfluchten Hauffen Nur Mir zu Spott und Hohn In Sicherheit gelauffen: War das nicht feiner Lohn? 8. Ach Gott, wie wird erschüttern Alsden ein Sünden Kind! Israel muste zittern, Alß es den starken Wind, Das Donnern und das Blitzen Samt der Posaunen Schall' Hört auf des Berges Spitzen, Da schrie es überal. 9. Wie wird der Sünder schreien, Wan Ihn der Richter fragt, Warum Er nicht mit treüen Gethan, waß Ihm gesagt! Wie wird Er können schauen Ein solches Angesicht, Das Ihm mit Angst und Grauen Leib, Seel' und Geist zerbricht! 10. Wer kan die Schand erreichen, Die der erdulden mus, Der durch den Tod gieng schleichen Ins Grab ohn' alle Buhss' Und sol hernachmals sehen Viel Heilige mit Pracht Bei Gott dem Richter stehen, Der Ihm sein Urtheil macht? 11. Die grossen Gottes Männer Verfluchen den zu gleich Den frechen Friedenstrenner, Der Satans Kirch' und Reich Gesuchet zuvermehren Auß böser Lust allein Und muß nun aller Ehren Dafür entsetzet sein. 12. O Himmel! Es erschallet Der Sünder Klaggeschrei: Ihr Berg und Hügel fallet Und knirschet uns enzwey, Bedekt uns für dem Pfule, Dieweil zu diser frist Das Lämlein auf dem Stuhle So gahr ergrimmet ist. 13. HERR, lehre Mich bedenken Doch disen Jüngsten Tag, Daß Ich zu Dir Mich lenken Und Christlich leben mag; Und wen Ich den sol stehen Für deinem Angesicht, So laß Mich frölich sehen Dein klares Himmelslicht.