Christliche Betrachtung der Person, die da leidet, vnd der Ursachen des bitteren Leydens vnd Sterbens vnseres Herrn Jesu Christi 1. O Grosser Gott ins Himmels Thron, Hilff, daß ich mög' erkennen, Wer doch gewesen die Person Vnd wie sie sey zu nennen, Die hie für mich So ritterlich Biß in jhr Grab gestritten, Als sie den Todt erlitten. 2. Ach ist es nicht dein liebstes Hertz, Dein Kind vnd Eingeborner? Wie leydet denn so grossen Schmertz, O Gott, dein Außerkohrner? Wie kan es seyn, Daß solche Pein Dem Helden wird gegeben, Der allen gibt das Leben? 3. Ja, Vater, ist er nicht der Mann, Von dem du selbst gesaget: Er ist es, der mich stillen kan, Mein Sohn, der mir behaget? Wie muß denn er Jetzund so schwer Die Bürden auff sich nehmen, Den Todt dadurch zu zähmen? 4. Ist er nicht selbst die Herrligkeit Vnd wird dennoch verspeyet, Ja ist er nicht ein Held im Streit' Vnd wird so leicht zerstrewet? Ist er nicht Gott Vnd leidet Spott, Ist er nicht sonder Schulden Vnd muß den Todt erdulden? 5. O frommes, vnbeflecktes Lamm, O schönster Mensch auff Erden, O Manna, das vom Himmel kam, Du must geopffert werden. Dein Händ' vnd Füss', Als die so süss' Am letzten End' vns laben, Die werden gantz durchgraben. 6. Dein würdig Häupt, O Gottes Sohn, Das wir mit Zittern ehren, Bedecket eine Stachel-Kron, Dein Elend zu vermehren. Dein trewer Mund, Der Warheit Grund, Die rosenfarbe Lippen Sind bleicher als die Klippen. 7. O grosse Lieb'! jtzt seh' ich recht Die Wund in deiner Seiten, Dadurch du wilt mir armen Knecht' Ein ewigs Reich bereiten. Diß Hertzen-Blut, Das hohe Gut, Deßgleichen nicht zu finden, Befreyet mich von Sünden. 8. Dein' Augen voller Freundligkeit, Der Menschen Lust vnd Wonne, Die klärer waren vor der Zeit Als die so klare Sonne, Die andren sich Nun jämmerlich; Die schönsten Liechter schwellen Von lautren Thränen-Quellen. 9. Sie rinnen wie ein Wasserfluß Auff die zuschlagne Glieder, Sie fallen wie ein Regen-Guß Die zarten Wangen nieder. Ach! nichts ist hie Als Angst und Müh'; Es wird mit tausend Plagen Der schönste Leib zuschlagen. 10. Du trägst die Straffen meiner Schuld' Vnd schweren Missethaten, Ja lässest dich aus lauter Huld' Am Pfal des Creutzes braten. Das that die Lieb', Herr, die dich trieb, Die Sünder aus dem Rachen Der Hellen frey zu machen. 11. O Wunderwerck! der herrlich ist, Nimpt auff sich vnser Schande; Der keusch, gerecht vnd sonder List Gepriesen wird im Lande, Trägt mit Gedult Gantz frembde Schuld, Ja hat sein eignes Leben Für vnsers hin gegeben. 12. Wie niedrig bist du worden, Herr, Vmb vnsrer Hoffart willen. Dein Geißlen, Marter vnd Beschwer Must' vnsre Frechheit stillen. Nur vnsre Lust, Der Sünden Wust Gebaren deinem Hertzen, O Heyland, so viel Schmertzen. 13. Ich bin, Herr Jesu, gantz verflucht, Du aber bist der Segen. Noch hat der Segen mich gesucht Auff gar verfluchten Wegen. Ich hab' allein Die Höchste Pein Mit Sünden wol verdienet: Du hast mich außgesühnet. 14. Ich war verkaufft zur Hellengluth Vmb so viel böser Thaten; Da wust' allein dein göttlichs Blut In solcher Noth zu rathen. Der thewre Schatz Behielt den Platz; Der Sathan muste weichen, Sünd', Hell' vnd Todt deßgleichen. 15. Nun höret auff des Höchsten Rach', Es ist sein Zorn gestillet Durch so viel schmertzen, Pein vnn schmach, Nun ist die Schrifft erfüllet. Des Herren Todt Hat nun die Noth Auff Erden weggenommen, Der Fried' ist wieder kommen. 16. HERR Jesu, nimb mich gnädig an, Vertilg in mir die Sünde, Die ich nicht gantz ertödten kan, Wie leyder ich befinde. Eins bitt ich dich: HERR, lasse mich Dein thewres Blutvergiessen Biß in mein Grab geniessen.