Alkestis Da plötzlich war der Bote unter ihnen, hineingeworfen in das Überkochen des Hochzeitsmahles wie ein neuer Zusatz. Sie fühlten nicht, die Trinkenden, des Gottes heimlichen Eintritt, welcher seine Gottheit so an sich hielt wie einen nassen Mantel und ihrer einer schien, der oder jener, wie er so durchging. Aber plötzlich sah mitten im Sprechen einer von den Gästen den jungen Hausherrn oben an dem Tische wie in die Höh gerissen, nicht mehr liegend, und überall und mit dem ganzen Wesen ein Fremdes spiegelnd, das ihn furchtbar ansprach. Und gleich darauf, als klärte sich die Mischung, war Stille; nur mit einem Satz am Boden von trübem Lärm und einem Niederschlag fallenden Lallens, schon verdorben riechend nach dumpfem umgestandenen Gelächter. Und da erkannten sie den schlanken Gott, und wie er dastand, innerlich voll Sendung und unerbittlich, – wußten sie es beinah. Und doch, als es gesagt war, war es mehr als alles Wissen, gar nicht zu begreifen. Admet muß sterben. Wann? In dieser Stunde. Der aber brach die Schale seines Schreckens in Stücken ab und streckte seine Hände heraus aus ihr, um mit dem Gott zu handeln. Um Jahre, um ein einzig Jahr noch Jugend, um Monate, um Wochen, um paar Tage, ach, Tage nicht, um Nächte, nur um Eine, um Eine Nacht, um diese nur: um die. Der Gott verneinte, und da schrie er auf und schrie's hinaus und hielt es nicht und schrie wie seine Mutter aufschrie beim Gebären. Und die trat zu ihm, eine alte Frau, und auch der Vater kam, der alte Vater, und beide standen, alt, veraltet, ratlos, beim Schreienden, der plötzlich, wie noch nie so nah, sie ansah, abbrach, schluckte, sagte: Vater, liegt dir denn viel daran an diesem Rest, an diesem Satz, der dich beim Schlingen hindert? Geh, gieß ihn weg. Und du, du alte Frau, Matrone, was tust du denn noch hier: du hast geboren. Und beide hielt er sie wie Opfertiere in Einem Griff. Auf einmal ließ er los und stieß die Alten fort, voll Einfall, strahlend und atemholend, rufend: Kreon, Kreon! Und nichts als das; und nichts als diesen Namen. Aber in seinem Antlitz stand das Andere, das er nicht sagte, namenlos erwartend, wie ers dem jungen Freunde, dem Geliebten, erglühend hinhielt übern wirren Tisch. Die Alten (stand da), siehst du, sind kein Loskauf, sie sind verbraucht und schlecht und beinah wertlos, du aber, du, in deiner ganzen Schönheit – Da aber sah er seinen Freund nicht mehr. Er blieb zurück, und das, was kam, war sie, ein wenig kleiner fast als er sie kannte und leicht und traurig in dem bleichen Brautkleid. Die andern alle sind nur ihre Gasse, durch die sie kommt und kommt –: (gleich wird sie da sein in seinen Armen, die sich schmerzhaft auftun). Doch wie er wartet, spricht sie; nicht zu ihm. Sie spricht zum Gotte, und der Gott vernimmt sie, und alle hörens gleichsam erst im Gotte: Ersatz kann keiner für ihn sein. Ich bins. Ich bin Ersatz. Denn keiner ist zu Ende wie ich es bin. Was bleibt mir denn von dem was ich hier war? Das ists ja, daß ich sterbe. Hat sie dirs nicht gesagt, da sie dirs auftrug, daß jenes Lager, das da drinnen wartet, zur Unterwelt gehört? Ich nahm ja Abschied. Abschied über Abschied. Kein Sterbender nimmt mehr davon. Ich ging ja, damit das Alles, unter Dem begraben der jetzt mein Gatte ist, zergeht, sich auflöst –. So führ mich hin: ich sterbe ja für ihn. Und wie der Wind auf hoher See, der umspringt, so trat der Gott fast wie zu einer Toten und war auf einmal weit von ihrem Gatten, dem er, versteckt in einem kleinen Zeichen, die hundert Leben dieser Erde zuwarf. Der stürzte taumelnd zu den beiden hin und griff nach ihnen wie im Traum. Sie gingen schon auf den Eingang zu, in dem die Frauen verweint sich drängten. Aber einmal sah er noch des Mädchens Antlitz, das sich wandte mit einem Lächeln, hell wie eine Hoffnung, die beinah ein Versprechen war: erwachsen zurückzukommen aus dem tiefen Tode zu ihm, dem Lebenden – Da schlug er jäh die Hände vors Gesicht, wie er so kniete, um nichts zu sehen mehr nach diesem Lächeln.