Erster Gesang 1. Von einer plötzlichen Staatsumwälzung Und von des Freyheitsbaums glücklicher Pelzung, Von Gründung einer Regierungsform Nach Frankreichs nagelneuer Norm, Von Jakobinerkappen und wackern Volksdeputierten, die, statt zu ackern, Mit salomonischem Geist erfüllt, Gesetze gaben, die niemand hielt, Wie unter allgemeinem Applause Aus einem berühmten Patrizierhause Des Dörfleins Schöpsenheim in der Person Des Igelwirtssohns ein Timoleon Hervortrat, das Vaterland zu befreyen, Und was mir die Muse von seines getreuen Roßwärters unsterblichen Thaten verrät, Vom Rechte der heiligen Volksmajestät, Von allen diesen und anderen Dingen Von ähnlichem Schlage will ich singen. Ihr Völker der Erde, räuspert zuvor! Dann aber schweigt und spitzt das Ohr! Doch ehe wir noch ab ovo beginnen, Sey mir, auf gut episch die Pierinnen Um Beystand anzuflehn, erlaubt! A Jove principium, ist ein Haupt- Und Grundgesetz epischer Dichter: Drum munter: Das Knie gebeugt! Den Hut herunter! O Muse der Bänkelsängerey, Die du, als noch der Kinderbrey Am Munde mir klebt' und als ich der Windel Noch kaum entschlüpfte, die Dichterspindel Mir reichtest, laß, da ich dies Wundergespinst Von echtheroischem Flachse zum Dienst Der Mitwelt und der Nachwelt nun dem Rocken Der Dichtung entspinne, die Spindel nicht stocken! Verhüte, daß mir im Drehen nicht Der Faden ausläuft, oder bricht, Und hilf mir, wenn Kraft und Geduld mir schwinden, Den schweren Haspel der Reimkunst winden! Und nun zu meinem Gegenstand! An Deutschlands südsüdöstlichstem Rand Liegt, noch durch keinen Büsching verraten, In einem Kessel von hohen Karpathen Das durch sein Kommerz mit dem Honigseim Des Apfelmosts blühende Schöpsenheim. Hier hauste seit Jahren Herr Willibald Striegel, Inhaber des Gasthofs zum roten Igel, Und wegen der stattlichen Korpulenz Des Schmerbauchs und seiner Omniscienz Im unerschöpflichen Fache der Pitte Amtsrichter des Dorfs ad dies vitae. Die Weisheit und Klugheit, mit der er den Staat In guten und schlimmen Zeiten vertrat, Erwarb ihm von Pater Fink, dem jokosen Herrn Pfarrer des Orts, den gloriosen Beynamen Pater Patriae. Mit Ruhm gekrönt, und von der Fee Fortuna mit Barschaft so reichlich gesegnet, Als hätt' es Dukaten bey ihm geregnet, Dünkt' er in seinem Amtsdistrikt Sich Königen gleich, und war beglückt. Sein Schöpsenheim war ihm ein Otaheite, Ein Eldorado, und nannten's die Leute, Die ihn zuweilen am Kirchweihfest Besuchten, ein elendes Ratzennest, So lief vor Ärger die Gall' ihm über. Kurz, Cäsars bekanntes Sprüchlein: Lieber Der erste im Dorf, als der zweyte in Rom! War ihm ein politisches Axiom. Nicht minder zufrieden mit ihrem Lose War seine geschäftige Baucis, Frau Rose. Die Sorgfalt, daß das Zinn hübsch blank Gescheuert wär', und im Speiseschrank Die Mäuse nicht nisteten, nebst der Verwaltung Des Hühnerhofs, der Aufrechterhaltung Der weiblichen Zucht und dem stäten Bemühn, Durch eine strenge Disciplin Den Zwietrachtsgeist unter den Sanskülotten Des Herds und des Waschtrogs auszurotten, War, seit sie das Küchenkommando bekam, Das einzige, was sie zu Herzen sich nahm. Aus dieses trauten Ehepaars Liebkosung Entstand, berufen zum Herold der Losung Der Freyheit und Gleichheit des Menschengeschlechts Und des im Naturzustand gegründeten Rechts Der Sänftenträger und Ochsentreiber, Der Scherenschleifer und Höckerweiber, Mein Wunderheld, Namens Melchior. Zum Zeitpunkt seiner Geburt erkor Das Schicksal die letzte Hundstagswoche Zwey Dutzend Jahre vor jener Epoche, Als, heftig ergriffen vom Paroxism Der neuen Krankheit, genannt Civism, Auf einmal das unversehens rappelköpfisch Gewordne Paris mit sauertöpfisch- Ernsthaftem Gesicht, wie es Kato schnitt, Das republikanische Steckenpferd ritt, Und Völkern, dies sonst frisierte, Die echte Regierungskunst docierte. Nach der bewährten Erziehungsart Der weislichen Urgroßmütter ward, Gleich einem selten exotischen Schößling In einem Treibhaus, der einzige Sprößling Des weltberühmten Strieglischen Stamms Als Säugling behandelt. Geschnürt in ein Wamms Vom dichtesten Stoff, und mit Zuckerplätzchen Gefüttert, erhielt er unzählige Schmätzchen, Und wurde mit Sorgfalt gehegt und gepflegt. Das ganze Haus ward aufgeregt, Um jeder erdenklichen Laune des feisten Trotzköpfchens stracks Genüge zu leisten. Nichts, was dem lüsternen Gaumen behagt, Blieb je dem kleinen Abgott versagt, Und wüchs es auf den kanarischen Inseln Und noch viel weiter, so durft' er nur winseln, Mit Händen und Füßen zappeln und schreyn, So mußte sein Wille befriediget seyn. Fußnoten 1 Erste Auflage. Wien 1794. 8 0 R. starb als Hof- und Staatsrat zu Wien 1810. Die in der Vorrede enthaltene Mitteilung, daß M. Striegel das Werk eines früh verstorbenen Musensohnes, ist eine Fiktion.