Das Loos des Biedermanns An Herrn Haschka. Wien im Sommermond 1785. Freund, der du deine Harfe stäts Dem Dienste strenger Wahrheit weihtest, Und laut und ernst das eiserne Gesetz Der Allgewaltigen mit deutschem Muth bestreitest! Lass mich den Unmuth, der mein Herz In bangen Stunden oft zernaget, In deine Brust ergiessen; denn der Schmerz Wirkt schwächer, wenn man ihn fühlbaren Seelen klaget. Oft steigt das wallende Geblüt Mir auf die Wange, wenn, geschmücket Mit schnödem Gold, ein mächtiger Bandit Dem armen Biedermann den Nacken stolz zerdrücket. Sieh dort! ein goldner Mandarin Rollt mit vier Rappen durch die Strassen: Lass mich die Mask' ihm von dem Antlitz ziehn, So fegt er als ein Schelm im braunen Filz die Gassen. Indess der Bosheit Knechte sich Den Wanst mit leckern Speisen füllen, Ächzt mancher Freund der Tugend kümmerlich, Und kann des Hungers Wuth oft kaum mit Brode stillen. Freund! wem vor krummen Pfaden graut, Wird stäts mit Noth und Mangel kriegen. Ward denn die Welt für Böse nur gebaut, Und muss der brave Mann sich stäts im Staube schmiegen? Zwar schwingt (ein seltnes Meteor!) Wohl auch die Tugend sich: doch ziehet Sie Billigkeit auch dann noch Ränken vor, So hat, kaum halb gesehn, der neue Stern verglühet. Sieh! Aristid, der Biedermann, Fällt, weil er seine Bürgerpflichten Zu treu erfüllt, unschuldig in den Bann, Und muss sich aus Athen mit Schimpf und Schande flüchten. So pflegt man, Freund! der Redlichkeit Von jeher unterm Mond zu lohnen: Doch tröste dich! denn Selbstzufriedenheit, Die Tugend uns gewährt, hat höhern Werth, als Kronen.