36. An Wilhelm Genth Dein Lied erweckt mir langeverwehte Zeit, Als Heidelbergs pfalzgräfliche Burg (Es hat Ein fremder Bluthund einst zerstört sie) Uns in verwilderte Schatten einlud. Du rufst in Heimatsgegenden mich zurück, Wo ach! Verwirrung brütet, und innerhalb Der Mauern Ilions und auswärts Sündiget blinde Begier. Du rufst mich An Goethes Grab. Gern werf ich den schönsten Zweig Auf seine Ruhstatt! Sanfterer Tage Sohn, Und selbst als Greis noch liebetändelnd, Wußt er die mächtige Brust zu zähmen, Eintauschend Weisheit für die Begeisterung: Nicht dies gelingt mir! Jeglicher Puls in mir Wallt feurig auf; nicht bloße Töne, Funken entsprühn der bewegten Leier! Nicht kann ich harmlos mich in die Pflanzenwelt Einspinnen, anschaun kantigen Bergkristall Sorgfältig, Freund! Zu tief ergreift mich Menschlichen Wechselgeschicks Entfaltung. Längst ist der Brust ehrgeiziger Trieb entflohn, Der Jugend Erbteil; aber wofern mir soll Annahn der Ruhm, mag Hand in Hand er Gehn mit dem prüfenden Todesengel! Von dieser Zeit Parteiungen hoff ich nichts; Doch wann ich darf ausruhen, wie Goethe ruht, Dann sein mir auch spätreife Kränze Auf den versinkenden Sarg geworfen. Ich lebe ganz bei Künftigen, halb nur jetzt: Nicht bloß ein Zierat müßigem Zeitvertreib Sei meine Dichtkunst, nein – sie gieße Tauigen Glanz in die welke Blume!