Luca Signorelli 1830. Die Abendstille kam herbei, Der Meister folgt dem allgemeinen Triebe; Verlassend seine Staffelei, Blickt er das Bild noch einmal an mit Liebe. Da pocht es voll Tumult am Haus, Und ehe Luca fähig ist zu fragen, Ruft einer seiner Schüler aus: Dein einziger Sohn, o Meister, ist erschlagen! In holder Blüte sank dahin Der schönste Jüngling, den die Welt erblickte: Es war die Schönheit sein Ruin, Die oft in Liebeshändel ihn verstrickte. Vor eines Nebenbuhlers Kraft Sank er zu Boden, fast in unsrer Mitte; Ihn trägt bereits die Brüderschaft Zur Totenkirche, wie es heischt die Sitte. Und Luca spricht: O mein Geschick! So lebt ich denn, so strebt ich denn vergebens? Zunichte macht ein Augenblick Die ganze Folge meines reichen Lebens! Was half es, daß in Farb und Licht Als Meister ich Cortonas Volk entzückte, Mit meinem jüngsten Weltgericht Orvietos hohe Tempelhallen schmückte? Nicht Ruhm und nicht der Menschen Gunst Beschützte mich und nicht des Geistes Feuer: Nun ruf ich erst, geliebte Kunst, Nun ruf ich dich, du warst mir nie so teuer! Er spricht's, und seinen Schmerz verrät Kein andres Wort. Rasch eilt er zur Kapelle, Indem er noch das Malgerät Den Schülern reicht, und diese folgen schnelle. Zur Kirche tritt der Greis hinein, Wo seine Bilder ihm entgegentreten, Und bei der ewigen Lampe Schein Sieht er den Sohn, um den die Mönche beten. Nicht klagt er oder stöhnt und schreit, Kein Seufzer wird zum leeren Spiel des Windes, Er setzt sich hin und konterfeit Den schönen Leib des vielgeliebten Kindes. Und als er ihn so Zug für Zug Gebildet, spricht er gegen seine Knaben: Der Morgen graut, es ist genug, Die Priester mögen meinen Sohn begraben.