Viertes Buch Epistel an Phöbe auf Ihrem vierzehnten Geburtstag Heut vierzehn Jahre; theures Kind! Wie bald vollendet, wie geschwind Eil ich von meines Mittags Höhe Ins öde Schattenthal herab! O! meine Phöbe, gerne flöhe Ich aus dem Lärm ins stille Grab Zu meinem Sunim, meinem Stab, Wenn ich nicht – küsse diese Zähre Mir weg – Gemahl und Vater wäre; Wenn – doch der Gott, der euch mir gab, Wog unser Loos auf seiner Wage Und maß den Faden meiner Tage Am Zepter seiner Weisheit ab. Vergieb mir Kind, die feige Klage. Ein Dankfest soll dein Tag mir seyn. Komm, laß mich dich mit Rosen krönen Mit diesem Kuß, mit diesen Thränen Weih ich dich mir zur Freundin ein. Nicht wahr, du fühlst ihn, gute Phöbe, Des Titels Werth, den ich dir gebe? Hinfort nicht mehr dein Vater, nein, Dein Freund bin ich, der dich begleitet Durchs Land der Täuschung, und dein Herz Zum Leiden sachte vorbereitet; Denn leiden wirst du. Lust und Schmerz Sind, gleich den Schalen einer Wage, Hier nie getrennt, und dieser neigt Das Herz in seine rechte Lage, Wenn es zu hoch im Glücke steigt. Ein Leben voller Wonnetage Taugt nur für Engel: hüte dich, Dir eins zu träumen. Hüllet sich Dein Aug in Wolken, o! so weine Sie auf mein Herz, verbirg mir keine; Der Schmerz ist ja nicht neu für mich. Und wenn – nie denk ichs ohne Beben – In dir der neue Trieb erwacht, Der Mädchen auf ihr ganzes Leben Beseeligt oder elend macht; Dann, meine Phöbe dann erwähle Mich zum Vertrauten deiner Seele. Nicht streng, nur sorgsam will ich seyn, Dein Herz vor Stürmen zu bewahren, Und ihm die namenlose Pein Des Streits mit Hang und Pflicht zu sparen, Für deine Ruhe fürcht ich nichts Vom eckeln Weyhrauch süßer Laffen; Am Glanz des reichen Taugenichts Wird sich dein Blick auch nie vergaffen! Doch schrecklich sind die Zauberwaffen Des feinen Modebösewichts, Der nichts von Flammen, nichts von Schmerzen Der Liebe spricht, nur von Genie, Von Tugend und von Energie, Von Freundschaft und von Sympathie, Und, Vampyrn gleich, am sichern Herzen Des Mädchens saugt, bis es verdirbt, So wie vom Wurm die Rose stirbt. Dank sey es unsern hellern Zeiten, Daß Selbstheit und Sophisterey Und Vollkraft und Empfindeley Der Unschuld mehr Gefahr bereiten, Als je die Nacht der Barbarey. Es fällt mir gleich ein Mährchen bey: Ich will es, Phöbe, dir erzählen. O laß damit mich meines Ziels, Dich zu belehren, nicht verfehlen! Es heißt: die Klippe des Gefühls. Ein Dämon, der beym alten Drachen Mit Ehren als Geselle stund, Erhob sich auf das Erdenrund Um da sein Meisterstück zu machen. Er sollte, wie von Anbeginn Die Zunftgesetze vorgeschrieben, Ein Mädchen ins Verderben ziehn, Das stets der Unschuld treu geblieben. Sophie war zum Opferlamm Ersehn, ein Kind aus edlem Stamm, Das jeder Reiz der Eva schmückte, Und dessen stille Frömmigkeit Schon oft die Seraphim entzückte. Er kroch in ein Husarenkleid. Die Uniform sprengt alle Thüren Und dienet oft zum Talisman Ein eitles Püppchen zu verführen. Er meldet sich bey Fiekchen an: Und sagt ihr unter tausend Schwüren, Sie sey das niedlichste Gesicht, Das ihm von Quebeck bis nach Posen Auf seinen Zügen aufgestoßen. Reich, sprach er, Mädchen, bin ich nicht; Doch wird der Donner erster Tagen Den krüpplichten Major erschlagen, Dann sollst du Frau Majorin seyn. Was meinst du? Rede, kleiner Nickel. Das arme Fiekchen war betäubt Und bebte, wie der Perpendikel Der Wanduhr. Höhnisch lachend reibt Ihr Thrax (dies war des Helden Name) Den Schnurrbart auf die zarte Hand. Itzt löst sich ihrer Zunge Band; Sie schreyt, und eine alte Dame Kam hustend ins Gemach gerannt; Die Muhme wars. Der Herzensstürmer Ward schimpflich aus dem Schloß verbannt, Und Fiekchen bat den raschen Thürmer, Würd er sich nur von ferne nahn, Den Doggen auf ihn los zu hetzen. Nun fieng er erst zu fluchen an; Er riß den Dollmann stracks in Fetzen, Und wollte nun als reicher Geck Des Fräuleins Herz in Flammen setzen. Er nennt sich Graf von Schwarzenegg, Und kömmt in einer Staatscarosse, Mit einem königlichen Trosse, In einem Kleide starr von Gold, Schön wie der Liebling der Cythere, Umwölkt von einer Ambrasphäre Ins adeliche Schloß gerollt. Der Graf ward schwebend aus dem Wagen In Fiekchens Putzgemach getragen, Er überreichet ihr sein Bild, Geziert mit seinem Wappenschild In einem Rahmen von Brillanten; Fleht knieend um des Fräuleins Gunst, Und spielt mit meisterhafter Kunst Den feinen schmachtenden Amanten. Sechshunderttausend Thaler sind Ihr Mahlschatz, angenehmes Kind, Wenn sie zum Bräutigam mich wählen. Er sprachs: ein Kästchen mit Juwelen Giebt seinen Worten neue Kraft. Die gute graue Muhme gafft Entzückt durch ihre Staarenbrille Den ausgekramten Reichthum an; Doch Fiekchen blickt in ernster Stille Nur auf den üppigen Galan, In dessen Aug ein Feuer lodert, Das Wollust strömt und Wollust fodert, Ihr Herz verschließt sich vor dem Blick: Mein Herr, ein allzugroßes Glück Ist Gift für eine weiche Seele, Ich kenne mich und ich erwähle Den Mittelstand, in dessen Schoos Ich so viel unvermischte Freuden, So vielen Trost in kleinen Leiden, Kurz, mich und die Natur genoß. Sie schweigt. Die alte Tante brummet; Der stolze Bräutigam verstummet, Ruft seinem bunten Phaeton Und flieget wie ein Pfeil davon; Triumph! nun weiß ich dich zu packen, Ruft er und lacht so fürchterlich, Daß Berg und Thal davon erschraken; In wenig Tagen fang ich dich; Wo nicht, so mögen alle Welten Mich einen dummen Teufel schelten. Des nahen Sturmes unbewußt, Gieng Fiekchen bey dem ersten Strale Aurorens aus dem Sommersaale Ins Wäldchen, und mit Engelsluft Sah sie den Quell vom Felsen fallen, Und sang ins Lied der Nachtigallen. Da trat ein feiner junger Mann Mit einem Buch aus dem Gebüsche; Sein Antlitz kündigt ein Gemische Von Heiterkeit und Wehmuth an. Mit Ehrfurcht grüßet er die Schöne Und wischet eine stille Thräne Vom Auge. Fiekchen nickt ihm zu Und fraget ihn mit holder Miene: Was, edler Fremdling, liesest du? Das Marterthum der Clementine Im Grandison, erwiedert er Und seufzt. Das gute Mädchen blicket Ihn zärtlich an; ihr Herz wird schwer; Es hebt sich schneller und ersticket Nur halb des Seufzers Antwort. Heil! Heil dir! versetzt er, schöne Seele; Doch lebe wohl! Gram ist mein Theil, Und Frevel ists, wenn ich dich quäle. Sie hält ihn auf: o Freund! erzähle Dein Schicksal mir. Nach langem Zwang Setzt er sich neben ihr ins Grüne; Auch mir war eine Clementine Beschert, rief er; doch ach! nicht lang: Sie starb! – Ein Strom von Zähren drang Aus Fiekchens Augen; ja sie fühlte Für Damon, was sie nie empfand; Ein Feuer, das ihr Herz durchwühlte. Beym Abschied küßt er ihr die Hand; Und nun begegneten sich beyde An jedem Tag mit neuer Freude Im kühlen Hayn; dann sprachen sie Entzückt vom Drang der Sympathie Und von der Schöpfung Harmonie. So oft er von ihr schied, betrübte Sie sich und wußte nicht warum: Doch Damon blieb nicht lange stumm; Sein Mund gestand, daß er sie liebte, Und sie gab ihm den ersten Kuß Zum Pfand der Gegengunst zurücke. Doch bald verfinstert ein Verdruß Des guten Damons Wonneblicke: Ich bin kein Ritter. – Ach! ich muß, So fieng er endlich an zu klagen, Dir, holdes Fiekchen, dir entsagen. Nie läßt dein Vormund es geschehn, Daß wir – Gott! mußten wir uns finden, Um ewig uns getrennt zu sehn! Wer kann den Jammer nachempfinden, Der Fiekchens treue Brust zerriß! Wie heben wir die Hinderniß? Frug sie ihn einst mit banger Stimme. Nichts rettet uns, nichts, als die Flucht Vor deiner Anverwandten Grimme; Doch nein, Geliebte, nein! Verflucht Sey dieser Rath! Nur ich will fliehen, Fahr wohl – Vergiß mich – Laß mich ziehen – Sey glücklich! Kann ichs ohne dich? Nein, Damon, ich will mit dir fliehen; Gott wills. Mit dir, mit dir allein, Du trauter Bruder meiner Seele Kann ich auch in der fernsten Höhle Bey bittern Wurzeln selig seyn. Sie schweigt. Des Jünglings Wange glühet; Sein Odem stockt; sein Herz pocht laut; Wie beym Altar der Beter knieet, Liegt er vor ihr. Ach! süße Braut, Für mich Geschaffne! kann ichs glauben? Lallt er, komm, laß uns gleich entfliehn, Eh Menschen unser Glück uns rauben; Du zögerst? Ach! ich war zu kühn In meiner Hofnung. Fiekchen hatte Den letzten Kampf der Pflicht gekämpft; Ein Seufzer des Geliebten dämpft Den heilgen Aufruhr. Ach! mein Gatte, Hie bin ich, ruft sie, flüchte mich, Gieb meinem Geist die Ruhe wieder! Sie weint. Der Himmel röthet sich: Es fährt auf leuchtendem Gefieder Sophiens Schutzgeist schnell hernieder. Betrogne, was beschließest du? Rief er dem blassen Mädchen zu: Erkenne, wem du dich ergeben! Sein Finger rührt den Buhlen an; Im Nu verschwindet der Galan, Und Fiekchen sieht mit Graus und Beben Ein schwarzes Kind des Erebus, Den Faunen gleich an Haupt und Fuß, Vor ihrem starren Auge schweben Und knirschend einen Blick ihr geben, In dem der Hölle Feuerschlund Ganz, wie am Richttag, offen stund. Dem Täubchen gleich, wenn ihm der Geyer Im Flug den bunten Nacken bricht, Stürzt Fiekchen vor das Ungeheuer Entgeistert auf ihr Angesicht; Und als sie sich im Gras gefunden; War Faun und Genius verschwunden. Ein leiser Schauer fasse dich, O Phöbe! Was ich dir erzählte, Ist kein Traum; oft begab er sich, Der Fall, nur daß der Schutzgeist fehlte. O! danke, danke Gott für den, Geliebte, welchen seine Güte, Bey deinem Eintritt ins Gebiete Der Sterblichkeit, dir ausersehn, Für deine Mutter, dir im Stillen, Doch Engeln sichtbar, ihm nur lebt, Und ihrem Haus, und sich bestrebt Zuerst die Lehren zu erfüllen, Die sie dir giebt. Die schöne Pflicht Der Arbeit, Kind, versäume nicht; Auch diese gab uns Gott zum Schutze Der Unschuld. Aber blos zum Schein Die Hände regen, blos zum Putze Sie widmen, ist nicht Arbeit, nein: Bedacht und nützlich muß sie seyn, Kein träges Spielwerk eitler Jugend. Suchst du dir lautre Freuden hier? Ach, Phöbe, nichts gewährt sie dir, Als Gottes Schöpfung und die Tugend. Suchst du Gesellschaft? Dein Clavier, Ein gutes Buch und du und wir, Was brauchst du mehr die Zeit zu kürzen? Fleuch, wenn du liesest, den Roman. So gut als Fiekchens Dämon kann Ein Buch dich ins Verderben stürzen, Das bald uns eine Tugend leiht, Die noch kein Menschenkind erreichet; Bald für das Laster uns erweichet, Das in der Unschuld Feyerkleid Sich langsam in die Seele schleichet; Bald unsrer Weisheit alle Kraft Abwitzelt, und die Leidenschaft Zur Fürstin der Vernunft erkläret, Und bald die kranke Phantasey Des Schicksals blinder Tyranney, Durch Gift und Dolch entfliehen lehret. Glaub immer an die Sympathie Verwandter Seelen: ohne sie Fänd ich nicht Glück genug auf Erden. Allein, o möchtest du doch nie Durch dieß Gefühl getäuschet werden; Nicht auf den Lippen, in der Brust Wohnt es, ist ewig wie die Jugend Des Seraphs, rein wie seine Lust. Ja, meine Phöbe, ja die Tugend Hat ihren Magnetismus auch, Der, wie des Zephyrs warmer Hauch Zwo Blumen sanft zusammenwehet, Zwey Herzen, die der Gottheit Ruf Zu Bild und Gegenbild erschuf, Sich schwesterlich entgegen drehet. Doch, Phöbe, diese Wunderkraft Ist nicht Instinkt, nicht Leidenschaft, Aus der nur Scham und Eckel stammet. Den Geist erwärmt sie, nicht das Blut, Und läutert, wie die stille Glut Das Golderz, die so sie entflammet, Durch des Genusses Ebb und Fluth, Würzt ihre Freuden, stählt den Muth, Wenn sie die Last des Daseyns quälet; Und gab auch mir das höchste Gut Der Erde, das Monarchen fehlet, Ein Chor von Freunden, am Altar Der Ewigkeit mit mir vermählet, Die mir zum Schutz, gleich jener Schaar, Die Jakob einst im Traum gesehen, Auf Gottes Leiter vor mir stehen, Und oben Er, im mildern Glanz Der Vaterwürde. Theure Phöbe! Ich weiß, du kennest noch nicht ganz Das frohne, mystische Gewebe Der Fesseln wahrer Sympathie; Allein auch dir ist einst durch sie Der Menschheit höchstes Glück beschieden, Nur hüte dich vor Schwärmerey, Und suche kein Geschöpf hienieden, Das frey von allen Mängeln sey. Und wenn dein Herz den Jüngling findet, Zu dem es jenen Hang empfindet, Dem noch kein edles Herz entflohn; So folge nicht dem ersten Triebe; Belausch ihn: hat er einen Thron; Und spottet der Religion, Kind, so verachte seine Liebe, Und wähle seinen frommen Knecht; Zeuch froh mit ihm in seine Zelle, Und leb im Dunkeln an der Quelle Der wahren Ruhe schlecht und recht. Und ruft euch einst der Vorsicht Willen Ins Vaterland der Tugend ab, So leg ein Enkel eure Hüllen In mein und meiner Doris Grab.