Auf Sunims Grab Ihr, deren Chor bey Abels Todtenfeyer Die ersten Elegien sang, Löst, Engel Gottes, mir den Augenschleyer Und stimmet meiner Harfe Klang. Geleitet mich zu jenem frohen Hügel, Den eine Rosenkrone schmückt. Das eiserne, verhängnißvolle Siegel Des Todes ist ihm aufgedrückt. O tretet sanft, denn einer eurer Brüder Schläft unter diesem frischen Moos. Doch nein, eröfnet seine Gruft mir wieder Und hebt ihn aus der Erde Schooß. Sie thut sich auf; der Sarg entsteigt, vom Schimmer Des Monds bestrahlt, der Dunkelheit. Ach! und mein Aug erkennt die schönen Trümmer Von seines Geistes Pilgerkleid. O laß mich, laß mich ihn noch einmal küssen, Allwürger, deinen frühen Raub. Mein Sunim, ach mein Kind, warum begießen Nicht deine Thränen meinen Staub! Wo ist der Geist, der diesen Schutt bewohnte? Er, der in seinem Raupenstand, Dem jungen Lenze gleich, auf Rosen thronte Und wie der junge Lenz verschwand? Wo ist das Herz, das an des Meinen Seite Noch jüngst so laut, so feurig schlug, Als ich zum Freunde mir den Knaben weihte, Der schon den Tod im Busen trug? Sein Geist entfloh, zu groß für seine Zelle; Sein Herz, für diese Welt zu rein, Verwelkte; doch der Liebe heil'ge Quelle Schließt kein Gefäß von Muskeln ein. Er lebt, er liebet fort und seiner Jugend Reicht Gott des Mannes Palme dar, Ihm, dessen letzte That noch eine Tugend, 1 Schon eines Engels würdig war. Du, der du sanft die holde Blume küßtest, Als sie an meiner Brust verdarb; Sprich, du sein Schutzgeist, wenn du sterben müßtest, Stürbst du nicht wie mein Sunim starb? Ach und ich lebe; doch versiegt ihr Zähren, Versiegt; er könnte meinen Schmerz Vom Himmel sehn und meine Thränen wären Auch dort noch Dolche für sein Herz. Führt mich zurück, ihr Engel! selbst das Hoffen Aufs Wiedersehn wischt sie nicht ab; Denn ach, das Bäumchen, das der Strahl getroffen, War eines blinden Vaters Stab. Fußnoten 1 Ungern, aber der väterlichen Bitte willfahrend, reichte er standhaft dem Wundarzte den Arm, und fiel mit dem Aderschlag in tödtliche Zuckungen.