Zweytes Buch Der Morgen An Doris. Aurora steht mit Rosenflügeln Auf Tempes dunkelgrauen Hügeln, Und sä't die Flur mit Perlen an. Apollo, der sich satt getrunken, Schlägt nun des Lichtes erste Funken Und öfnet seine Zirkelbahn. Ihm folgen aus den trägen Tiefen Die Rosse, die vom Meerschaum triefen; Ihr Wiehern schreckt der Nymphen Ohr. Er führet streichelnd sie zusammen Und füttert sie mit Feuerflammen Und spannt sie seinem Wagen vor. Schon messen sie die Himmelsstraße Und schnauben aus der weiten Nase Der Welt das Tageslicht herab. Die Nacht mit der Gespenster Schwarme Fleucht in des todten Chaos Arme, Das ihr das finstre Daseyn gab. Der Mond erblaßt vor Phöbus Blicke, Die Sterne weichen schnell zurücke Und schon vermißt man ihre Spur. Des lichten Aethers blaue Meere Ersäufen ihre stolzen Heere, Und nun erwachet die Natur. Ich höre schon wie Philomele Dem Schöpfer mit entzückter Seele Ihr feyerliches Loblied singt, Ich höre schon die muntre Biene, Die vom bethauten Rosmarine Den ersten Raub nach Hause bringt. Der Löwe schüttelt seine Mähne, Er bleckt die blutgefärbten Zähne, Er brüllt und Echo brüllt ihm nach. Itzt hebt er sich aus seinem Neste Und frißt des Hirschkalbs warme Reste, Dem er im Schlaf den Nacken brach. Ein dumpfer Lärm vertreibt die Stille. Der Uhu flieht; es schweigt die Grille; Der Schäfer und der Weise wacht: Sie schreiten mit verneuten Kräften Zu ihren täglichen Geschäften, Und nur in Städten ists noch Nacht. Die Schafe hören voller Freude Den Ruf des Hornes auf die Weide; Sie drängen sich zum Stall heraus. Der Hahn mit seiner Purpurkrone Lockt, als ein Sultan auf dem Throne, Die Hennen aus dem Gitterhaus. Schon wird der Stier mit strengen Hieben Dem schwarzen Acker zugetrieben, Den er in krause Furchen theilt; Indem die Kuh mit hohlem Brüllen Ihr schlaffes Euter anzufüllen Auf den beblümten Anger eilt. Im ganzen Dorf ist alles rege; Ein jeder gehet seine Wege; Der Reisende besteigt sein Pferd: Die Ruhe flieht aus den Gemächern, Ein süßer Rauch steigt von den Dächern, Nur feyrt des Junkers magrer Herd. Der schwarze Schmidt und sein Geselle Stehn aufgeschürzt vor ihrer Hölle, Der Blasbalg facht die Flammen an; Das Eisen funkelt an der Zange, Der Hammer fällt mit wildem Klange Und macht den Ambos zum Vulkan. Es hört die schlummernde Laurette Den Ruf der Mutter in dem Bette Und richtet gähnend sich empor: Die Alte legt die Silberlocken Des Flachses um den nackten Rocken Und mißt ihr schon ihr Tagwerk vor. Sylvander greift nach Chloens Bilde, Die er im dunkeln Lustgefilde An sein entflammtes Herz gedrückt; Er seufzt, daß diese süßen Stunden So plözlich mit dem Traum verschwunden, Der seinen frohen Geist berückt. Sieh, Doris! jene Lampe sterben, Sie scheint vor Neid sich zu entfärben, Daß Phöbus Antlitz heller glänzt. Sieh, seine holden Strahlen blitzen, Sie dringen durch des Vorhangs Ritzen, Der unser Lager grün bekränzt. Sein Gruß ermahnt uns aufzustehen; Komm, laß uns zu den Blumen gehen, Die deine sanften Hände ziehn. Doch wird wohl Flora schöner prangen Als du, Geliebte! deren Wangen Trotz Lilien und Rosen blühn?