Röschen »Mein trautes Röschen, letzten May Verschied Graf Woldemar; Er schenkte mir für meine Treu Zweyhundert Gulden baar.« »Nun, Liebchen, hab ich für uns Brod; Drum komm, o komm doch bald. Leb wohl! ich bin bis in den Tod Dein treuer Theobald.« Als Röschen diesen Brief bekam Zu Mons in Hennegau, Noch selben Tag sie Abschied nahm Von ihrer gnädgen Frau. Sie zog nach dem Ardennerwald Zur Gräfin Adelgund, Bey der ihr lieber Theobald Noch itzt als Jäger stund. Frisch wallt das Mägdlein seine Bahn Und langt am sechsten Tag Spät auf der Gräfin Herrschaft an, Die tief im Walde lag. Noch eine Meile; doch der Flor Der Nacht umhüllt das Land. Durch Sumpf und Büsche drang sie vor, Und Sumpf und Busch verschwand. Die Vögel schweigen, nur der Ost Durch alte Buchen schwirrt, Auf deren einer ohne Trost Ein Turteltäubchen girrt. In stille Schwermuth aufgelöst Horcht Röschen, bis ihr Fuß An einen Erdenhügel stößt, Auf den sie fallen muß. Gott, ruft sie, soll ich sterben hier In einem wilden Wald? Ich Arme! wärst du doch bey mir, Geliebter Theobald! Es blitzt; der Erdenhügel bebt; Es steigt ein Geist empor; Sein Kleid, an welchem Blut noch klebt, Ist weiß, wie Silbermoor. Da bin ich, sprach ein dumpfer Laut; Ein Wilddieb gab mir hier Den Tod; doch freu dich süße Braut, In kurzem folgst du mir. Er lächelt. Ha, mein Theobald! Ruft sie mit wildem Harm, Und stürzt der luftigen Gestalt Todt in den kalten Arm. Nun sieht man Hand in Hand das Paar Zu Nacht den Hayn durchziehn, Und auf dem Grabe jedes Jahr Zwo weisse Rosen blühn.